
Tobias van Dieken: Mittlerweile akzeptiere ich die Gesetze des Marktes.
Dieken wurde 1980 in Bonn geboren. Seine Schauspielausbildung absolvierte er an der Otto-Falckenberg Schule in München. Heute ist der Schauspieler in verschiedenen TV- und Theaterproduktionen zu sehen. Bekannt wurde er mit der RTL-Serie Arme Millionäre. Heute ist er in Formaten wie “Weingut Wader” in der ARD oder “Läusemutter” auf SAT1 zu sehen.
von Laura Bähr
Tobias, dein erster großer TV-Erfolg vor 12 Jahren war die RTL-Serie „Arme Millionäre“ mit Sky du Mont und Andrea Sawatzky. Wie stark beeinflusst einen Schauspieler die erste Rolle?
Tobias Van Dieken: Ich war mir damals überhaupt nicht bewusst, dass das meine erste große Rolle war. Ich wusste, dass ich in einem guten Cast mit guten Leuten bin, aber ich war damals total verzogen, kam direkt von der Schauspielschule. (lacht) Beim Abschluss hatte man uns damals ins Ohr gesetzt, entweder man macht Theater oder Kino. Das ist natürlich ein Schubladendenken. Ich glaube aber, die erste Rolle stellt eher die Weichen, wie dich die anderen sehen und wahrnehmen.
Kann man diesen ersten Eindruck denn noch anpassen?
Tobias Van Dieken: Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, man darf auch erstmal eine Schublade bedienen und dann kann man da ja raushüpfen. Ich habe jetzt zum Beispiel viele ZDF-Herz-Schmerz-Filme gedreht aber es haben sich jetzt auch immer wieder neue Sachen ergeben. Natürlich trainiere ich auch, weil ich verstanden habe, wie die Regisseure mich aktuell am liebsten besetzen wollen, nämlich als den „Good-Looking-Typen“, der dann das Love-Interest ist. Diese Vorlage muss ich dann erfüllen.
“Ich glaube die erste Rolle stellt die Weichen, wie dich die anderen sehen und wahrnehmen.”
Muss man dafür auch manchmal persönliche Kompromisse eingehen?
Tobias Van Dieken: Ja, das muss man, wenn man zur Branche gehören und besetzt werden will. Mittlerweile akzeptiere ich auch die Gesetze des Marktes. Ich hatte früher Zahnlücken und damit nie wirklich ein Problem. Aber ich habe immer wieder gehört, dass der Wunsch geäußert wurde, also von Besetzer, Castern, Produzenten oder Redakteuren, kann der sich nicht mal seine Zähne machen lassen.
Dann kam natürlich auch immer der Jürgen Vogel Vergleich, aber ich hab es einfach nicht eingesehen. Ich saß dann aber irgendwann mit einer sehr erfolgreichen Kollegin zusammen und die meinte ich sei einfach nicht der Typ, bei dem man so eine Zahnlücke erwartet. Nachdem ich mich also 10 Jahre dagegen gewehrt hatte, habe ich es dann tatsächlich machen lassen. Meine Zähne sind immer noch nicht perfekt, aber seitdem flutscht es.
In welcher Schublade steckst du gerade?
Tobias Van Dieken: Aktuell ist es echt spannend. Ich habe diese Herzschmerzformate jetzt erstmal gemacht und bedient. Ich spiele ja auch immer noch Theater. Du kannst mich auf eine Bühne stellen, notfalls auch schmeißen und dann geht’s los. Da bin ich zuhause und das ist auch ganz wichtig.
Die Auseinandersetzung mit Figuren, Geschichten und Bücher im Rahmen eines Ensembles ist für die Schauspielerei grundlegend, damit man die Dramaturgie, den Raum und das Publikum begreift. Man macht das Ganze ja auch nicht nur für sich, sondern in erster Linie für das Publikum. Aktuell drehe ich zwei Projekte, „Väter allein zuhause“ für die ARD und „Läusemutter“ für SAT1. Das sind auch zwei sehr unterschiedliche Rollen, es bleibt also spannend.
“Mittlerweile akzeptiere ich auch die Gesetze des Marktes.”
Unterscheidet man in Schauspielerkreisen immer noch zwischen kulturell hochwertigem Kino und minderwertigem TV?
Tobias Van Dieken: Ich glaube schon ja, allerdings sind wir gerade in einer Zeit, wo sich das nach und nach auflöst. Da läuft „Jerks“ dann auf einmal auf Pro Sieben oder „Der Club der roten Bänder“ auf Vox. Mit Menschen, die diese Unterschiede machen, brauche ich nicht zu arbeiten, weil mich das nicht dahin bringt, wo ich hinmöchte.
Ziel meines Seins als Schauspieler ist es eher, die Grenzen aufzuweichen als die Kategorien zu bedienen. Natürlich muss man auch manchmal den Kompromiss eingehen und die Schubladen bedienen, damit man einzuordnen ist. Die Leute geben ja auch viel Geld für einen aus und müssen sich dann irgendwie sicher sein, dass ich das auch erfüllen kann, was sie wollen.
Du hast an der Otto Falckenbergschule in München deine Schauspielausbildung gemacht. Was bekommt man dort beigebracht?
Tobias Van Dieken: Wir haben damals keine speziellen Schauspiel-Methoden beigebracht bekommen, sondern viele verschiedene Arten an eine Rolle ranzugehen. Wir haben zum Beispiel über drei Jahre jeden Morgen Körpertraining gemacht, also wie stehe ich da, wie gehe ich mit meinem Körper um. Die Frage, die man sich, wenn man mit einer neuen Rolle konfrontiert wird, immer zuerst stellen sollte, ist, wie läuft die Person, was hat sie für einen Gang. Das ist ganz wichtig, bevor man überhaupt ans Sprechen denkt.
“Ziel meines Seins als Schauspieler ist es eher, die Grenzen aufzuweichen als die Kategorien zu bedienen.”
Braucht man als Schauspieler heute überhaupt noch eine Ausbildung?
Tobias Van Dieken: Man kann immer so reinrutschen. Aber man erkennt sich gegenseitig am Set, also ob man von einer Schauspielerschule kommt. Das merkt man eben daran, wie man an die Rollen rangeht, welche Methoden man hat und wie man mit den Kollegen umgeht. Wenn ältere Kollegen auf mich treffen, denken sie glaube ich in erster Linie auch, mhm okay das ist so ein Good-looking Typ, aber wenn ich dann sage, woher ich komme, dann ändert sich die Einstellung immer schnell.
Es gibt natürlich auch super viele junge Schauspieler ohne Ausbildung, die vor der Kamera super sind, ich weiß nicht wie die sich auf der Bühne schlagen, aber im Fernsehen sind die super. Ich persönlich möchte aber meine Schauspielzeit überhaupt nicht missen. Ich liebe Theaterrollen. Für mich ist das Theater der Ursprung meines Berufs.
Diese junge Generation von Schauspielern scheinen heutzutage immer öfter Alleskönner zu sein.
Tobias Van Dieken: Ja, das sind dann die jungen Kollegen, die ohne Ausbildung den anderen Tipps am Set geben und die sind auch noch gut. (lacht) In den Drehpausen trainieren sie dann entweder ihre Körper oder lernen fürs Studium. Die allgemeine Anpassungsfähigkeit, und das gilt jetzt nicht nur in der Schauspielerei, sondern gesamtgesellschaftlich, ist sehr hoch und das irritiert mich manchmal. Der Kampf um die Plätze tobt und ich habe manchmal das Gefühl, dass die junge Generation gar nicht die Zeit hat, über viele Dinge nachzudenken, die wir oder unsere Eltern noch bedenken konnten. Das ist ein bisschen eine Friss oder Stirb-Frage.
“Für mich ist das Theater der Ursprung meines Berufs.”
Du bist noch nicht so lange auf den sozialen Netzwerken aktiv. Ist das auch ein sozialer Druck aus der Branche?
Tobias Van Dieken: Ich versuche das natürlich nicht als Druck zu sehen, aber es ist schon so, dass man es von Produzenten und Agenten gesagt bekommt. Instagram habe ich am Anfang als spielerische Leistung gesehen, bei der ich ausprobieren wollte, ob ich das so kann, mit Bild und Text. (grinst) Ich mache das, aber ich mache es auf meine Art und Weise. Es ist natürlich auch eine Chance mich nochmal ein bisschen anders zu zeigen. Vielleicht sind das dann die Bilder oder Texte, die auch mal ein Redakteur oder Produzent liest und sieht und sich denkt „aha der Tobi“. Auch wenn es nur das obligatorische „Oben-ohne-Bild“ ist, und man zeigen will ich bin noch „in Shape“.
Du bist bald auf dem „Traumschiff“ zusehen. Eine Reihe, die neben dem „Tatort“ eine der Institutionen im deutschen TV scheint. Woran liegt das deiner Ansicht nach, dass die Deutschen diese Formate so lieben?
Tobias Van Dieken: Das Publikum mag glaube ich diese Tradition. Wieso sollten wir uns heute auch noch vor den Fernseher setzen, wenn wir ja auch alles am PC streamen können. Das muss dann schon ein Event sein. Und der Tatort ist sozusagen das Sonntagsevent, die Familie sitzt zusammen da und beim Traumschiff ist es genau das gleiche. Das ist damals natürlich eine tolle Idee gewesen, die Leute in fremde Länder zu entführen. Ein einfaches Konzept eigentlich, aber wie alle guten Ideen, muss man sie erstmal haben und auch umsetzen. Ich glaube irgendwann wird es dann zum Selbstläufer.
“Das Publikum mag Film-Tradition.”
Das ist ja der letzte Auftritt des Kapitäns Burger. Könntest du dir auch vorstellen, so lange eine Rolle zu bedienen?
Tobias Van Dieken: Über einen gewissen Zeitraum auf jeden Fall. Ich glaube schon, dass es eine Rolle gibt, mit der man auch über die Jahre wächst. Bei uns ist ja auch das persönliche nie zu 100 % von dem was wir spielen auszuschließen. Das bedeutet nicht, dass wir das sind, was wir spielen, aber wir sind unser Instrument, wir haben keine Geige oder irgendeinen Gegenstand, nur unsere Körper. Kapitän vom Traumschiff wäre das aber eher nicht.
Sondern?
Tobias Van Dieken: Columbo fände ich ganz toll. Irgendein Privatdetektiv, ein Schnüffler.
Du hast mal gesagt, dass dich neben Geschichten für Halunken auch Geschichten über einsame Seelen besonders reizen. Warum?
Tobias Van Dieken: Ich habe eine Scheidung hinter mir und meine Mutter ist schwer krank, das alles hat mir gezeigt, dass das Leben manchmal schön und manchmal traurig ist und dass es dafür keine logische Erklärung gibt. Das war für mich eine ganz wichtige Erkenntnis während des Erwachsenwerdens. Auch in einer Beziehung kann man beispielsweise die Inspiration sein und der Partner in Crime und trotzdem ist jeder am Ende des Tages auch eine einsame Seele. Wenn man das verstanden hat, kann man der Einsamkeit auch etwas abgewinnen.
“Das Leben ist manchmal schön und manchmal traurig und dafür gibt es keine logische Erklärung.”
Was denn?
Tobias Van Dieken: Man wird sich über bestimmte Dinge bewusster. Die Einsamkeit wird auch immer negativ konnotiert, das muss sie nicht immer sein. Ich habe einen sehr großen Freundeskreis, aber manchmal muss man auch einsam sein. Ich glaube nur in dem Rahmen einer Gemeinschaft ist eine Individualität möglich. Die ermöglicht eine Freiheit, allein muss man nur überleben.
Apropos Freunde, du hast mal gesagt, das Beste an dir sind deine Freunde.
Tobias Van Dieken: Das ist auch so. Meine Freunde sind auch mein Zuhause, die bieten mir Halt und Einhalt (lacht). Da kriselt es dann auch mal, aber das ist ok. Ich definiere mich auch über die Menschen, mit denen ich die meiste Zeit verbringe und mein Leben teile.
Was macht für dich einen guten Freund aus?
Tobias Van Dieken: Dass man über vieles gar nicht mehr sprechen muss. Das man einfach auch mal dasitzen kann und nichts sagen muss, obwohl mir das selbst schwerfällt.
“Meine Freunde sind auch mein Zuhause, die bieten mir Halt und Einhalt.”
Muss man als Schauspieler auch mal Rollen annehmen, die einem nicht so gefallen?
Tobias Van Dieken: Ich versuche nur Rollen anzunehmen, bei denen ich mich wohlfühle, aber natürlich gibt es wie bei jedem anderen Beruf auch Aufgaben innerhalb des Jobs, die mehr Spaß machen als andere. Das Ideale wäre natürlich darauf hinzuarbeiten, dass sich beides verbinden lässt und man irgendwann für das was man wirklich machen möchte auch noch den nötigen Respekt in Form von Geld bekommt. Geld ist ja leider die letzte allgemeine Form des Respektes. Alles andere ist Privatvergnügen.
Verändert Geld denn deiner Ansicht nach auch die Sicht auf manche Dinge?
Tobias Van Dieken: Geld verändert einen auf jeden Fall. Ich mache das ja seit über 12 Jahren, mal verdienst du in der Branche als Schauspieler ein bisschen weniger und manchmal ein bisschen mehr. Wie sich da die Gedankengänge verändern, das ist wirklich spannend. Wenn man drin ist und Geld hat, dann denkt man viel öfter über bestimmte Dinge nach, dass Sachen doch geregelt werden müssen oder man achtet auf die Sauberkeit von Straßen. (lacht) Das würde ich nie denken, wenn ich schauen müsste, wie ich über die Runden komme und gerade mit ganz anderen Sachen zu tun habe. Aktuell versuche ich den Ball flach zu halten. Ich mag gerne gute Kleidung und gutes Essen, aber ich möchte nicht übertreiben. Obwohl was ist schon übertrieben, das ist ja auch Ansichtssache. Gerade trage ich zum Beispiel meinen teuersten Pullover.
Kleider machen folglich Leute?
Tobias Van Dieken: Auf jeden Fall. Ich möchte mich auch in dem was ich trage wohlfühlen. Das ist auch eine Errungenschaft meines Erwachsenenlebens, das ich nicht mehr gesagt bekomme, was ich anziehen soll, deshalb beschäftige ich mich auch gerne damit. Und mit was man sich beschäftigt, dafür ist man auch bereit Geld auszugeben. Ein Kollege hat mal gesagt, er hat zu wenig Geld, um sich günstige Sachen zu kaufen. Die schmeißt man nämlich dann auch schneller weg.