
Eduardo García: Es ist eine große Stärke in der kreativen Branche zu sagen, okay das ist gut, das lassen wir jetzt so.
von Laura Bähr
Eduardo, du hast in einem Interview gesagt „du hättest damals dein erstes eigenes Studio gegründet, weil es so kommen musste“. Glaubst du an Vorbestimmung?
Eduardo García: Oh nein! (lacht) Ich bin der absolut unreligiöseste Mensch, den es gibt, totaler Atheist. Ich glaube weder an Kartenlegen noch sonst an irgendetwas. Das musste einfach so kommen, weil in dem Moment einfach die Energie da war und die Umstände gepasst haben.
Ich hatte damals eigentlich ein riesen Glück hing ohne großes Wisssen und Erfahrung als junger Typ in den krassen Studios ab – mit tollen Künstlern und super Produktionen – und doch war ich irgendwann unglücklich, weil mein soziales Umfeld wegbrach und meine Freunde es irgendwann nicht mehr interessierte, wenn ich zum xten Mal von meinen „mega“ Erlebnissen erzählte. Also habe ich alles hingeschmissen, erstmal bei einer Fluggesellschaft gearbeitet und das Leben und die Welt kennengelernt.
Plötzlich kam ein Anruf von einem Kumpel aus dem Studium, der um Unterstützung im Studio bat und Zack war ich wieder dabei. Ich glaube man muss einfach immer aktiv bleiben, dann hat man so eine Art Magnetismus an sich, der die guten Dinge automatisch anzieht.
“Ich bin der absolut unreligiöseste Mensch, den es gibt, totaler Atheist.”
Du hast in deinem bisherigen Leben, so macht es den Anschein, oft auf dein Bauchgefühl und weniger auf die allzeitbeliebte „Sicherheit“ gesetzt. Ist Sicherheit keine deiner Lebenssäulen?
Eduardo García: Die Frage ist, was ist Sicherheit? Finanzielle Sicherheit? Vielleicht ist das meine halbspanische Blutsäule, die da ein bisschen lockerer drauf ist (lacht). Man muss seine Ansprüche auch erstmal definieren, bevor man seine Sicherheiten im Leben festsetzen kann.
Wenn man sich überlegt, dass man in seiner beruflichen Karriere schon für minus fünf Euro am Tag gearbeitet hat, aber vielleicht auch schon 1000 Euro in der Minute verdient hat, dann relativiert sich Alles auch schnell wieder. Die einzige Sicherheit, die ich in meinem Leben wirklich brauche, ist ein funktionierendes soziales Umfeld, mit tollen Menschen an meiner Seite. Diese „Auto-, Haus-, Renten-Ding“ war mir nie wichtig. Solange ich körperlich fit bin und notfalls eine Schicht im Hafen arbeiten kann, reicht das vollkommen aus und ich kann meiner Leidenschaft folgen.
Du hast in deiner arbeitsreichen Zeit oft viele Nächte durchgearbeitet. Muss man, um wirklich was zu reißen, zwangsläufig an seine körperlichen und physischen Grenzen gehen?
Eduardo García: Nein, das glaube ich nicht. Die Leidenschaft ist der Motor und der trägt einen natürlich über viele Hindernisse hinweg. Und irgendwann geht man körperlich auch mal in die Knie. Es zählt nur, dass Partner, Familie und Freunde das alles verstehen und mitmachen. Je professioneller man wird, desto besser wird man auch irgendwann im eigenen Timing.
“Die Leidenschaft ist der Motor und der trägt einen natürlich über viele Hindernisse hinweg.”
Ich glaube dieser Ansatz, sich die Nächte per se um die Ohren hauen zu müssen, ist der falsche. There is no glory in being busy….Es ist der Trieb, den man kontrollieren muss. Natürlich ist mein Tag sehr voll und ausgebucht, aber heute achte ich immer mehr darauf, dass es auch genügend Freiräume gibt, um mich zu regenerieren.
Wie schafft man es die Leidenschaft für seine Passion zu erhalten und trotzdem im täglichen Business damit Geld zu verdienen?
Eduardo García: Man ist natürlich angreifbar, wenn man mit der Passion geht, bekommt natürlich auch viel Gegenwind , den man immer wieder verarbeiten muss. Gerade wenn es um kreative Ideen geht, wird das häufig auch schnell persönlich, was es noch schwieriger macht. Da steht dann auf einmal eine Plattenfirma vor einem, die einem sagt, das ist doch Mist, was du da machst, da muss man als junger Künstler/Produzent erstmal schlucken.
Man lernt das eher auf die harte Tour. Wenn ich heute nachts nicht einschlafen kann, weil mich irgendetwas nicht mehr loslässt oder sich etwas in der Zusammenarbeit verkehrt anfühlt, sage ich den Job rigoros ab. Diese Fähigkeit musste ich mir aber hart erarbeiten. Ich unterscheide mittlerweile ganz gut zwischen dem Kreativen und dem Dienstleister in mir. Und hin und wieder einfach zu performen und die Idee eines Anderen zu verfolgen, macht enorm viel Spaß, vor allem, wenn man dafür bezahlt wird.
“Wenn ich heute nachts nicht einschlafen kann, weil mich irgendetwas nicht mehr loslässt oder sich etwas in der Zusammenarbeit verkehrt anfühlt, sage ich den Job rigoros ab.”
Reflexion scheint in deinem Leben eine wichtige Rolle zu spielen. Eine Fähigkeit, die heute vielen Menschen vor allem auf hohen Rängen fehlt?
Eduardo García: Ich habe mit einigen großen Konzernen und den dortigen Vorständen zusammenarbeiten dürfen. Seit dieser Zeit habe ich großen Respekt vor den Entscheidern dort. Das sind wirklich echte „Rock’n’Roller,“ egal ob in einem Autokonzern oder bei einer Kosmetikfirma. Die Leute, die da den Laden schmeißen, die gehen dermaßen in ihrer Leidenschaft auf.
Die Gefahr der mangelnden Reflexion liegt eher dazwischen, im mittleren Management. Wo die Leute von oben den Druck bekommen und sich nach unten hin absichern und rechtfertigen müssen. Ich finde es extrem wichtig, dass man sich stetig reflektiert und auch sein Umfeld im Auge behält, in jedem Beruf und in jeder Position. Am wichtigsten ist mir persönlich dabei der gegenseitige Respekt. Wenn der nicht da ist, dann habe ich auch schon Leute aus dem Studio geschmissen.
Hat dieser Respekt in den letzten Jahren abgenommen?
Eduardo García: Sagen wir mal so, ich habe viele Menschen kennengelernt, die ihr Leben und ihre Ideen in erster Linie über die Fülle ihres Bankkontos definieren. Ich habe das latente Gefühl, dass es aktuell viele Menschen gibt, die sehr egoistisch durch die Welt ziehen. Keine Ahnung, ob das aktuell an den sozialen Medien liegt und an dem ständigen Nachaußenkehren seiner Persönlichkeit.
“Ich finde es extrem wichtig, dass man sich stetig reflektiert und auch sein Umfeld im Auge behält, in jedem Beruf und in jeder Position.”
An der Generation liegt es aber nicht, denn auf der anderen Seite kenne ich sehr viele Menschen in dem Alter, meine Kinder und ihre Freunde, Kollegen zum Beispiel, die sehr reflektiert mit allem umgehen und sich fast schon zu viele Sorgen und Gedanken um ihr Umfeld machen. Ich glaube auch nicht, dass die Reflexionsfähigkeit unserer Eltern, die Kriegsgeneration, so viel höher war.
Es macht den Eindruck, als ob Lob, gerade bei den Kreativen immer gerne schnell verteilt wird, alles ist super, überall gibt es „Likes“. Woher weiß man als Künstler, dass etwas wirklich gut geworden ist?
Eduardo García: Man wird im Laufe der Jahre immer sicherer mit seiner Denke. In meinen Zwanzigern war ich sehr unsicher, ob etwas jetzt eigentlich gut ist, oder nicht. Dann kommen nach und nach die ersten Leute um die Ecke, die gut finden, was du machst, man baut langsam Selbstvertrauen auf, und schwupps kommt wieder einer, der alles in Frage stellt. Mit den Jahren bekommt man einfach ein Gefühl dafür, was gut ist.
Auf der anderen Seite bringt die Erfahrung einem auch das Ende der ständigen Fremdbestätigung. Ich brauche nicht mehr von fünf verschiedenen Menschen in meiner Arbeit bestätigt werden. Man kann bei einer kreativen Arbeit ewig Zeit investieren und immer wieder Dinge verändern, doch muss man irgendwann einfach den Moment erkennen, wann es besser ist aufzuhören. Es ist eine große Stärke in der kreativen Branche zu sagen, okay das ist gut, das lassen wir jetzt so. Am Ende muss man sich einfach mal vertrauen.
“Man kann bei einer kreativen Arbeit ewig Zeit investieren und immer wieder Dinge verändern, doch muss man irgendwann einfach den Moment erkennen, wann es besser ist aufzuhören.”
Wie ist dein Verhältnis zu Geld?
Eduardo García: Geld ist dazu da, sich mal mehr oder weniger Dinge zu kaufen (lacht). Die besten Arbeiten sind oft die, die ganz frei entstehen, und frei von finanziellen Zwängen sind. Am Ende des Tages sagt die Höhe der Bezahlung nichts aus, weder über die Leistung noch über die Kreativität eines Menschen.
Euer Tonstudio trägt den Namen „German Wahnsinn“. Eine Hommage an das Können unseres Landes?
Eduardo García: Auf jeden Fall (lacht). Es war allerdings nicht ganz einfach diesen Namen überall zu verteidigen. Viele verstehen ihn nicht, andere lachen sich darüber tot. Für uns ist das mittlerweile ein so feststehender Begriff geworden, dass ich gar nicht mehr darüber nachdenke.
“Geld ist dazu da, sich mal mehr oder weniger Dinge zu kaufen.”
Es macht den Eindruck, als ob die heutige Welt sehr von den visuellen Reizen dominiert wird. Warum ist Sound deiner Meinung nach genauso wichtig?
Eduardo García: Es gibt da ein tolles Zitat von George Lucas, der sagt 50% eines Films sind Sound und Musik. Man stelle sich einfach mal „Star Wars“ ohne Musik und Sound vor, das geht einfach nicht (lacht). Musik ist das schnellste und emotionalste Medium, schneller als jedes Bild, und trifft direkt auf unsere Synapsen.
Audio ist wieder In, Hörbücher, Podcasts, etc…. Wir haben aktuell viel zu liefern, jeder hat Kopfhörer im Ohr, wir hatten noch nie eine so große Zielgruppe. Studien besagen, dass man über die Modulation der Sprache sehr viel schneller wichtige Dinge über einen Menschen erfährt, noch schneller als durch den Gesichtsausdruck. Deswegen spielen auch Coversational Interfaces eine immer wichtigere Rolle in unserem Leben.
Du hast gemeinsam mit Cornelia Funke die „Atmenden Bücher“ ins Leben gerufen und wirst gemeinsam mit ihr auf dem diesjährigen Reeperbahn-Festival im Bereich „Creative Technology“ spannende Innovationen vorstellen. Welche kreativen Technologien fehlen der Welt aktuell?
Eduardo García: Es gibt so viele und die Hälfte kenne ich vermutlich noch nicht mal (lacht). Natürlich gibt es aktuell super spannende Ansätze. Das kann aber natürlich alles zum Guten oder zum Schlechten genutzt werden. Letzlich entscheiden die Werte, Ideen oder Inhalte dahinter. Grundsätzlich erwarte ich von Technologie nichts und lasse mich einfach immer wieder überraschen.
“Grundsätzlich erwarte ich von Technologie nichts und lasse mich einfach immer wieder überraschen.”
Was unterscheidet deiner Meinung nach einen guten Werbespot von einem sehr guten Werbespot?
Eduardo García: Es kommt immer darauf an, mit welchem Maßstab man an die Sache herangeht. Ein guter Werbespot kann ein Spot für einen Discounter sein, Socken für 99 Cent. Das sehen/hören die Leute, sind beeindruckt vom Preis und kaufen das Produkt. Dann hat der Werbespot sein Ziel erreicht. Ich finde nichts schlimmer, als wenn Kreative ihre kopierten Ideen, als die eigenen verkaufen und diese wohlmöglich noch prämiert werden. Leider passiert das heutzutage sehr häufig.
In der Beratung und Komposition von Werbemusik kämpft man leider oft gegen die Beratungsresistenz und der aktuellen Lieblings-Playlist des Kreativen und man wundert sich später, dass das beauftragte „Soundlike“ eines Queen-Songs doch nicht die Emotion der Originals trägt. Ein sehr guter Spot berührt mit einer besonderen Idee, analog zu einer Komposition, die mich gleichermaßen am Lagerfeuer mit Akustikgitarre oder als symphonische Orchesterversion auf die Reise nimmt.
“Ich finde nichts schlimmer, als wenn Kreative ihre kopierten Ideen, als die eigenen verkaufen und diese wohlmöglich noch prämiert werden.”
Verfällst du selbst noch den Werbeversprechen, die sich uns jeden Tag bieten?
Eduardo García: Auf jeden Fall. Aber ich merke auch oft, wie viele Spots falsch laufen, nämlich, wenn ich mir die Marke oder das Produkt dahinter nicht merke. Dann war mal wieder mehr Egozentrik als Reflektion im Spiel.
Bei vielen Produkten wie z.B. dem iPhone macht es den Eindruck, als ob sich die Gesellschaft mittlerweile selbst eingeredet hätte, dass dieses Produkt seinen Preis wert ist. Wie kommt es zu diesem Phänomen, spielt die Werbung dabei eine entscheidende Rolle?
Eduardo García: Natürlich, es geht schließlich um Design- und Konsumgüter und man ist bereit dafür sehr viel mehr Geld auszugeben, als vielleicht nötig wäre. Mittlerweile stehe ich diesem Phänomen sehr skeptisch gegenüber auch wenn ich den Hype in meinen jüngeren Jahren natürlich mitgemacht habe, das gebe ich ganz offen und ehrlich zu. Aber wenn ich heute beobachte, wie normale Turnschuhe durch absichtliche Verknappung begehrlich gemacht werden und in ihrem Preis steigen, dann kann ich das nicht mehr nachvollziehen. Diese aktuelle Sammlergesellschaft und das Anhäufen von künstlich limitierten, überteuerten Dingen ist mir fremd. Ein wirklich spannendes Phänomen unserer Zeit.
2 Comments