Nilam Farooq © Jules Fysta

Nilam Farooq: Die Welt steht uns offen, aber wir müssen alle noch lernen, damit umzugehen.

von Laura Bähr

Nilam, wem und warum hast du das letzte Mal „kontra“ gegeben? 
Nilam Farooq: Einem Mann, der der Meinung war, dass Sprache und Gendern sinnloser Unsinn seien. Das konnte ich nicht einfach so unkommentiert lassen.

Bereits Ende 2018, als du zum Casting von „Contra“ eingeladen warst, waren die Themen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus aktuell. Hat sich die Thematik in den letzten drei Jahren deiner Ansicht nach verändert? 
Nilam Farooq: Jeder Tag, der vergeht, an dem über diese Themen gesprochen wird, ist ein weiterer Tag, an dem ich stärker daran glaube, dass es sich nicht nur um einen Hype, sondern um ein echtes Umdenken handeln könnte. Ich war da am Anfang wirklich sehr skeptisch. Aber eigentlich ist es ja auch schon lange überfällig, daher kann es mir nicht schnell genug gehen.

In einem Interview meintest du, „der Film schafft es auf eine leichte Art und Weise und nicht mit dem Zeigefinger mahnend, die Leute zum Nachdenken anzuregen.“ Darf oder muss Film sogar ein pädagogisches Mittel sein? 
Nilam Farooq: Nein, Film darf auch einfach mal nur unterhalten. Es ist absolut kein Muss und ich möchte auch als Zuschauerin nicht permanent auf irgendetwas hingewiesen werden. Wenn ein Film es allerdings schafft, dass man sich nicht belehrt fühlt, sondern zum Nachdenken bzw. Überdenken angeregt wird, zeichnet es den Film besonders aus und hebt ihn von anderen ab. Es gibt sicherlich Themen, bei denen man nicht drum herum kommt auch pädagogisch zu sein, allerdings ist das beim Medium Film für mich nicht grundsätzlich der Fall, sondern eben vereinzelt.

„Wir haben mittlerweile eine sehr hässliche Streitkultur entwickelt, die nur selten produktiv zu etwas Gutem beiträgt.“

Haben wir es in der heutigen Gesellschaft verlernt, einander zuzuhören, andere Meinungen zuzulassen und kontrovers miteinander zu diskutieren? Warum ist das so?
Nilam Farooq: Wir sind so wahnsinnig schwarz oder weiß in unseren Ansichten, die Zwischentöne gehen verloren. Die Antwort auf etwas ist schon formuliert, bevor das Gegenüber seine Gedanken überhaupt ausgesprochen hat. Wir hören uns nicht zu. Wir kommunizieren immer kürzer. Jeder hat das Gefühl, er sei Experte auf jedem Gebiet. All das führt dazu, dass wir mittlerweile eine sehr hässliche Streitkultur entwickelt haben, die nur selten produktiv zu etwas Gutem beiträgt.

Würdest du sagen, dass immer nur die guten Filme erfolgreich sind, oder gibt es manchmal einfach nur ein Momentum für bestimmte Themen und bestimmte Projekte? 
Nilam Farooq: Auf keinen Fall sind immer die guten Filme erfolgreich. So richtig durchblickt habe ich es allerdings selbst noch nicht. Manchmal ist es ein Momentum, manchmal ein einziger Fakt, dann wieder das Timing. Aber ich glaube auch nicht wirklich zu wissen, wann ein Film gut ist und wann nicht. Das kann ich zwar für mich persönlich entscheiden, aber ja sonst für niemanden. Gut ist also relativ. Und gut hängt definitiv nicht zwangsläufig mit Erfolg zusammen.

Wann ist ein Film für dich gelungen?
Nilam Farooq: Das ist einfach ein Gefühl. Wenn er sich rund anfühlt, wenn ich nicht über die Charaktere, die Bildsprache, die Handlung und alle anderen inszenatorischen Entscheidungen stolpere. Wenn mich der Film mitnimmt in seine Welt und ich im besten Fall danach etwas von dem Film in meine Welt mitnehme. 

„Jeder hat heute das Gefühl er sei Experte auf jedem Gebiet.“

Lena Klenke sagte in einem Interview mit uns, die Schauspielbranche sei aktuell sehr gesättigt. Bist du anfällig für Vergleiche im Business? Und wenn ja, wie schützt du dich davor?
Nilam Farooq: Mir ist das gar nicht so bewusst, dass sie so gesättigt ist, aber natürlich vergleiche ich mich. Dennoch schaffe ich es dann aber auch immer ganz gut, mich selbst zu sehen und die Dinge, die mich ausmachen. Außerdem erinnere ich mich einfach sehr häufig daran, dass wir uns nicht ständig so wichtig nehmen müssen –  in dieser Branche operiert niemand am offenen Herzen. Das hilft ganz gut, um die meisten Dinge in Relation zu setzen.

Wie schafft man sich seinen Marktwert in der Branche?
Nilam Farooq: Ich kenne die Antwort darauf nicht, aber wahrscheinlich ist es eine Mischung aus: Zeit, Vita, Ansehen, Haltung, Kontakten, Glück und vielen vielen anderen Dingen. 

Spielt man anders, wenn man mit Schauspielgrößen wie zum Beispiel Christoph Maria Herbst zusammenspielt, die man insgeheim vielleicht sogar bewundert? 
Nilam Farooq: Einerseits hat man sehr viel mehr Druck abzuliefern, andererseits zieht jemand wie Christoph einen auch mit hoch. Ich wollte Christoph nicht um jeden Preis gefallen, aber ich wollte schon, dass wir am selben Strang ziehen und er mich ernst nimmt. Dass wir uns nun zusätzlich noch echt lieb gewonnen haben, ist sozusagen der beste Bonus, den man sich wünschen kann. 

„In meiner Branche operiert niemand am offenen Herzen. Das hilft ganz gut, um die meisten Dinge in Relation zu setzen.“

Wie gehst du im Schauspiel damit um, dass dein Schicksal immer von jemandem abhängt, der vielleicht etwas in dir sieht und dich besetzt?
Nilam Farooq: Leider läuft das schon immer so und vermutlich wird es so auch bleiben, weil was wäre die Alternative? Natürlich nervt das ohne Ende und deprimiert und macht mich traurig, aber da gilt für mich ein bisschen „Augen auf bei der Berufswahl“. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass Glück oft mehr ausmacht als Talent.

Du bist als Youtuberin mit Beauty-Tutorials bekannt geworden. Wie hat sich deine Einstellung zum Thema Schönheit verändert, seit du in den sozialen Medien aktiv bist?
Nilam Farooq: Als ich mit den Sozialen Medien angefangen habe, hatte ich bereits eine recht gefestigte Einstellung zum Thema Schönheit, vielleicht weil ich schon nicht mehr im Teenager Alter war. Schönheit spielt für mich keine so große Rolle. Ich mag schöne Dinge, ja, aber ich laufe da keinem Ideal hinterher. Mir ist natürlich sehr wohl bewusst, dass das in der Online-Welt gerade für Jüngere ein riesiges Problem darstellen kann. Gerade diesbezüglich muss sich noch einiges verändern.

Welche Rolle spielt das Aussehen für dich? Türöffner oder auch mal hinderlich?
Nilam Farooq: Rein beruflich werde ich, so traurig es klingt, ja zu einem Großteil über mein Aussehen bewertet und am Ende auch besetzt, soll heißen: Passt Nilam auf diese oder jene Rolle? Insofern mache ich mir darüber auch meine Gedanken, allerdings könnte ich mich nicht entscheiden, ob es eher Türöffner oder hinderlich ist, ich habe beides schon mehrfach selbst erlebt. Ich glaube für mich: Im Leben hat man es leichter, in der Branche schwerer.

„Im Leben hat man es mit einem guten Aussehen leichter, in der Schauspiel-Branche schwerer.“

Geht es uns als Konsumgesellschaft heute zu gut? 
Nilam Farooq: Na klar. Ging es einer Generation jemals so gut wie uns aktuell? Ich glaube nicht.

Welche Rolle spielt Geld in deinem Leben? 
Nilam Farooq: Die Rolle von Geld definiert sich für mich über die Perspektive, aus der man gerade guckt. Ich kenne und schätze den Wert von Geld, vor allem durch meine Kindheit, in der nicht viel davon vorhanden war. Es gibt mir viele Möglichkeiten, es beruhigt mich teilweise  und erfüllt mir und anderen Wünsche, aber hier und da ist es eben auch vollkommen irrelevant und kann nichts ausrichten. 

Auf Social Media prasseln jeden Tag viele Eindrücke auf einen ein. In einem Interview sagtest du „manchmal habe ich das Gefühl, selbst mit Botschaften überschwemmt zu werden.“ Ist der Druck sich entscheiden zu müssen, die größte Herausforderung unserer Generation? Wie gehst du damit um? 
Nilam Farooq: Ich weiß selbst nicht genau, was ich will, aber glücklicherweise weiß ich schon immer sehr klar, was ich definitiv NICHT will. Das nimmt mir oft viele Entscheidungen ab und führt dann doch zu dem, was ich will. Ich bin eine sehr konsequente und manchmal leider auch sehr Prinzip-liebende Person. Aber klar, es fällt uns allen schwerer, sich zu entscheiden. Die Welt steht uns offen, aber wir müssen alle noch lernen, damit umzugehen.

„Die Welt steht uns offen, aber wir müssen alle noch lernen, damit umzugehen.“

Heute hat man mit einer gewissen Reichweite auf Social Media auch automatisch eine gewisse Macht. Die häufig auch dafür genutzt wird, gefährliches Halbwissen zu verbreiten. Wie stehst du dazu? Wie geht man mit dieser Verantwortung um? 
Nilam Farooq: Nicht zu jedem Mist ungefragt seinen Senf dazuzugeben! Und wirklich auch trotz gewünschter Spontanität mal zwei, drei mehr Gedanken auf das verschwenden, was man sonst ungefiltert in die Welt hinaus posaunt. 

Fehler zu machen, scheint heute nicht mehr „en vogue“. Hast du manchmal Angst davor zu versagen?
Nilam Farooq: Das ist bei mir total tagesformabhängig. Manchmal ja, grundsätzlich, aber nein. Ich habe ein gewisses Urvertrauen in mich selbst, dass ich mir über lange Jahre sehr hart antrainiert habe. Es hat mich bisher nicht enttäuscht. Die letzten 32 Jahre sind doch ziemlich gut gelaufen, das bekomme ich für die Zukunft mit allen Höhen und Tiefen und allem, was in meiner Macht liegt, hoffentlich noch mal so oder so ähnlich hin. 

Welche Fußstapfen möchtest du auf der Welt hinterlassen? 
Nilam Farooq: Vielleicht gar keine, ich finde, das muss nicht unbedingt sein. Und wenn doch, dann welche, die einerseits darauf deuten, dass ich niemals für das Leid eines anderen Menschen verantwortlich war und ich selbst glücklich gewesen bin. Wenn ich zusätzlich auf diesem Weg noch ein paar Menschen inspirieren und unterhalten darf, dann ist das absolut fein für mich.  

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