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© Paul Ripke

Es gehört einfach dazu, ganz viel zu üben und in Dinge zu investieren. Dieses Investment kommt irgendwann zu dir zurück.

von Jan Pries

 Nervt dich das eigentlich mittlerweile, dass du häufig dieselben Interview-Fragen gestellt bekommst?

Nein überhaupt nicht. Tatsächlich ehrt es mich vielmehr, dass überhaupt jemand ein Interview mit mir machen will. Außerdem muss man der Realität ja auch in die Augen schauen und in den meisten Fällen wissen die Leute, die sich meine Arbeiten anschauen, erstmal gar nicht wer ich bin. Insofern finde ich es gut, dass ich mich vorstellen kann. Dass man dann des Öfteren auch mal die gleichen Fragen gestellt bekommt gehört dazu. Die beantworte ich aber gerne.

Im Mai 2015 ist dein drittes Jahrbuch MMXIV erschienen. Ein Buch, in dem du deine Erlebnisse und Erfahrungen aus dem Jahr 2014 eingefangen hast. Das Jahr war für dich ein ziemliches Highlight, welches gehört neben dem WM-Finale in Rio noch dazu?

In 2014 war tatsächlich einfach alles mega. Was ich neben den vielen Erlebnissen und Reisen besonders mitnehme ist, dass 2014 vor allem auch das erfolgreichste Marteria-Jahr ever war. Das ist für mich fast noch wichtiger gewesen als alles andere zusammengenommen. Dass Marteria da zum ersten Mal als Headliner auf vielen Festivals gespielt hat und dass wir da zusammen so richtig angekommen sind, wo wir immer hinwollten, war für mich das Wichtigere. Natürlich war es auch das Jahr, in dem ich zum ersten Mal die maximale Ereignisdichte in kürzester Zeit erleben durfte. Das war schon ganz gut. *lacht*

Wie hat sich der Kontakt zu den Fußballern der Nationalelf nach Rio entwickelt?

Grundsätzlich habe ich nach wie vor Kontakt zu einigen Fußballern wie Poldi oder Khedira, aber bei Fußballern ist es schwierig richtige Freundschaften aufzubauen, weil sie einfach so intensiv arbeiten und so viele Personen um sich herumhaben. Aber natürlich freut es mich total, wenn Poldi mich nach Istanbul einlädt und ich dort ein paar Bilder machen kann.

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Lukas Podolski © Paul Ripke

Musik ist ein ganz maßgeblicher Bestandteil deines Lebens. Ein Ziel deiner Fotografie und deiner Bewegtbilder ist es, Musik erlebbarer zu machen. Wie versuchst du das umzusetzen und was ist dein Anspruch dabei?

Grundsätzlich bin ich nicht so der konzeptionelle Typ und ich gehe eher spontan an Dinge heran. Nach dem Motto: „Ich mach irgendwas und dann kommt da auch irgendwas Gutes bei raus“, setze ich die meisten musikalischen Projekte fotografisch und filmisch eher intuitiv um. Dabei habe ich gar nie so riesen große Ansprüche, lustigerweise haben die Projekte auf diese Weise bisher trotzdem immer ganz gut geklappt. Dazu sagen muss man aber auch, dass fast alle Videos und alle Fotos, die einfach scheiße waren, auch immer richtig scheiße geworden sind, weil ich eben wie gesagt, sehr intuitiv arbeite. Bei Bewegtbildern ist die Wirkung von Schnitten und Einstellungen ja außerdem durch eine sehr subjektive Wahrnehmung geprägt und diese führt auf gewisse Weise zu subjektiven Medien. Wenn ich etwas nicht gut finde, dann klappt es auch mit dem Output nicht. Ich werde nie irgendwas gut hinbekommen, wenn ich da persönlich nicht hinterstehe. Ich glaube aber auch, dass der Hauptteil nach wie vor die Musik ausmacht. Der Musikpart ist einfach unheimlich wichtig, dass ich da manchmal das Glück habe bei Musikern auf dem Rücken mitzureiten und sie mit Fotos oder Videos zu unterstützen, ist für mich cool.

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Rapper Marteria bei einem Konzert © Paul Ripke

Für Sido hast du vor kurzem ein neues Musikvideo gedreht. Dabei behandelt ihr die Geschichte eines Drogenabhängigen auf sehr intensive Weise. Wie setzt man so etwas denn um?

Das war sehr schwer, da in dem Video keine gecasteten Darsteller zu sehen sind. Einen echten, realen Darsteller zu finden war nicht gerade einfach. Da mussten wir ein paar Untergrundkontakte angehen, denn dafür gibt es ja keine Castingagenturen. Lange Zeit habe ich mit der Idee dieser Umsetzung auch gehadert und überlegt, ob das der richtige Weg ist. Aber Sido war immer der Überzeugung, dass es ein echter Fixer sein muss und alles andere keinen Sinn machen würde. Ich habe mich letztendlich dafür entschieden, dass Video zu machen. Im Anschluss daran haben wir dann viele gute Reaktionen bekommen und unter anderem einen langen Brief von der Bundesbeauftragen für Drogen erhalten, die das Projekt unfassbar gelobt hat. Das Video zeigt eben keine Glorifizierung des Drogenkonsums, sondern vielmehr was Drogenkonsum mit einem Menschen macht. Die vielen Reaktionen auf das Video haben mich gefreut und es zeigt, dass sich Leute dazu Gedanken machen.

Du warst mutig und hast dich schon sehr früh mit deiner Ripke GmbH selbstständig gemacht. Würdest du das weiterempfehlen und ist es gut frühzeitig Projekte und Ideen anzugehen?

Klar, absolut! Für mich ist das schon fast eine philosophische Frage, denn grundsätzlich passt das vor allem zu mir. Ich als Person hatte tatsächlich schon immer wenig Angst, für mich gab es nie wirkliche Grenzen und oftmals haben Zufälle neue Türen und Wege eröffnet. Wenn man so jemand wie ich ist, dann ist es auf jeden Fall die richtige Entscheidung früh eine Firma zu gründen und mit Ideen und Projekten zu starten. Ehrlicherweise habe ich die Firma anfangs aber auch gegründet, weil ich es lustig fand damit ein bisschen anzugeben.

Mit 19 wusste ich noch nicht konkret, dass ich mal hauptberuflich als Fotograf mein Geld verdienen würde und für einen gewissen wirtschaftlichen Erfolg bzw. Karriereerfolg braucht es in fast allen Bereichen vor allem Erfahrung und Alter. Es ist zwar sehr schön, früh zu wissen, was man möchte, aber bis man wirklich eine Familie ernähren kann und ganze Projekte realisieren kann, braucht es, wenn ich jetzt auf meine bisherige Karriere zurückblicke, besonders Zeit.

In dem Zusammenhang gehört es einfach dazu, ganz viel zu üben und in Dinge zu investieren. Dieses Investment kommt irgendwann zu dir zurück und es hilft dir, sich immer wieder neu auszuprobieren. Bei mir haben dabei auch einige Wegbereiter eine wichtige Rolle gespielt, doch auch da hat es gedauert, bevor diese in Positionen waren, aus denen sie mir helfen konnten.

Durchhaltevermögen ist da auch ganz wichtig. Ich habe bestimmt zehnmal gedacht: „Mit dem Projekt werde ich jetzt berühmt und dann muss ich mir nie wieder Sorgen machen“. Aber selbst nach der Zeit in Rio mache ich mir ab und an noch Gedanken. Das ist ja aber auch das Schöne und alles bleibt eine Herausforderung.

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Foto auf Sri Lanka aus dem Jahrbuch MMXIV © Paul Ripke
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Foto vom Burning Man aus dem Jahrbuch MMXIV © Paul Ripke

Mittlerweile hast du dir einen Kundenstamm erarbeitet und fotografierst unter anderem regelmäßig für Nike. Wie kommst du generell an Aufträge?

Das kann man so nicht beantworten. Ich bin immer der Meinung, dass ein Auftrag meist nur zu einem wirklichen Job wird, wenn die Auftraggeber auch wirklich etwas von dir haben wollen. Meiner Meinung nach bringt es als Fotograf tatsächlich fast nichts Kaltakquise zu betreiben und irgendjemandem deine Leistungen anzubieten. In meinem Leben war es bisher immer so, dass Jobs zu was wurden, wenn die Auftraggeber ernsthaftes Interesse an mir und meiner Arbeit hatten. Ernsthafte Anfragen, die bei mir gelandet sind, wurden häufig auch zu guten Jobs und wie man diese Anfragen generiert, das hat zum Teil viel mit Zufall, aber auch mit Mühe zu tun.

Bezüglich Stammkunden gibt es da bei mir gar nicht so viele. Das liegt aber unter anderem auch an mir, da ich in meinen Projekten unheimlich viel wechsel und vieles ausprobiere. Mal mache ich ein Jahr nur Film oder nur Reportage-Fotografie. Dementsprechend gibt es auch nicht die klare „Paul-Ripke-Fotografie-Sprache“. Dieses viele Wechseln und Verändern von Stilarten ist der Karriere eines Fotografen an sich nicht zuträglich, bei mir ist es trotzdem anders und man kann mich nicht auf den einen Stil oder die eine Bildsprache reduzieren.

Soziale Medien spielen bei dir eine wichtige Rolle. Inwiefern nutzt du soziale Medien?

Bilder und Inhalte von mir verbreite ich immer im Kontext meines Jobs. Ich teile bewusst keine Bilder, die private Einsichten ermöglichen. Trotzdem ist es mir wichtig authentisch zu sein und Einblicke in meinen Joballtag und meine Erlebnisse und Reisen zu ermöglichen.

Es ist sehr sinnvoll als Fotograf soziale Medien einzusetzen und wenn jemand die richtigen Voraussetzungen mitbringt, dann kann man sich sukzessive eine große Gefolgschaft aufbauen. Ich habe mich da zum Teil auch mit Formaten wie „Life of Paul“ in neue Gefilde vorgewagt, was ich aber zu keinem Zeitpunkt gemacht habe, weil ich ein Marketing-Guru bin und Sachen plane, die auf jeden Fall funktionieren. Solche Dinge gehe ich nur an, weil sie mir zum jeweiligen Zeitpunkt Spaß machen.

Und man kann nicht sagen, dass soziale Medien alleine für den Erfolg ausschlaggebend sind. Es sind immer mehrere Punkte oder Ereignisse, die zusammentreffen müssen, um Erfolg zu ermöglichen. Trotzdem helfen mir die Möglichkeiten des Social Web sehr und am Ende verkaufe ich auf diese Weise auch meine Bücher.

Mittlerweile fotografierst du auch für die Late-Night-Show Circus Halligalli, die von Joko und Klaas moderiert wird. Fährst du nun jeden Montag nach Berlin? Und was steckt hinter der Idee?

Ja, jeden Montag, wenn um 13 Uhr die Aufzeichnung ist, bin ich in Berlin. Was das genau ist und was aus dem Projekt werden wird weiß ich noch gar nicht genau. Es macht aber riesen Spaß ohne konkreten Auftrag Fotos zu dieser Sendung beizusteuern. Es steckt kein konkretes betriebswirtschaftliches Ziel dahinter, sondern es macht mir montags einfach riesen Bock die Sendung begleiten zu dürfen. Ich finde es toll, wie Joko und Klaas an Dinge herangehen, wie schnell die Personen hinter der Sendung auf Dinge reagieren, wie direkt sie arbeiten und eine wochenaktuelle Sendung produzieren.

Einerseits arbeitest du viel für die Werbeindustrie und bist kommerziell unterwegs. Ein Standbein um Geld zu verdienen. Andererseits engagierst du dich auch für soziale Projekte und unterstützt zum Beispiel die Hamburger Charity-Organisation Viva con Agua. Passt das zusammen?

Am Ende mit Sicherheit nicht ausschließlich. Aber ich bin in der Hinsicht vielleicht auch nicht der tiefgründigste Ansprechpartner. Ich habe irgendwann ganz einfach für mich beschlossen, dass meine Prioritäten erstens darin bestehen gut für meine Familie zu sorgen und zweitens meinen Angestellten einen sicheren Arbeitsplatz zu bieten. An dritter Stelle folgt für mich dann eine gewisse soziale Ethik, die ich versuche zu vertreten. Zum Beispiel in Bezug zu Flüchtlingsthematiken oder eben Projekte wie Viva con Agua zu unterstützen. In meiner konkreten Arbeit kommt dann auch noch eine ideologische Komponente hinzu. Ich würde beispielsweise keine AFD-Kampagne fotografieren und wahrscheinlich auch nicht direkt für McDonalds arbeiten.

Trotzdem habe ich irgendwann für mich dann auch gemerkt, dass es gewisse Dinge gibt, die ich nicht mehr sauber machen bzw. ins Richtige wenden kann. Wenn ich beispielweise für einen bestimmten Künstler die Tour-Fotos mache und am Ende vielleicht aus dem Erlös des Merchandise bezahlt werde, der von einem Drittanbieter unter schlechten Bedingungen in Bangladesch hergestellt wurde, dann ist das eben auch nicht mehr sauber. Seit mir das bewusst ist, engagiere ich mich aber auch noch einmal mehr in sozialen und ethischen Fragen und ich schaue mir schon genau an, welche Projekte ich mache.

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Projektreise BLUE UGANDA initiiert von Viva con Agua © Paul Ripke

Gerade warst du wieder mit Marsimoto auf Tour. Gab es ein Tourhighlight?

Die Touren mit Marsi sind immer lustig. Diesmal hat mir die Show in München sehr gut gefallen, aber eine besonders krasse Geschichte aus dieser Tour gab es jetzt nicht. Die lief alles in allem ziemlich gesittet ab.

Bist du schon einmal an körperliche oder gesundheitliche Grenzen gestoßen, gerade weil du so viel unterwegs bist?

Meist geht sich das aus, aber mein Körper hat sich einmal auf einer Toten-Hosen-Tour gemeldet und ich bin richtig krank geworden. Ansonsten habe ich da wirklich Spaß dran, wenn viele Dinge und Projekte in kurzer Zeit aufeinander folgen. Abwechslung ist mir sehr wichtig und möglichst viele unterschiedliche Dinge zu tun gefällt mir einfach.

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Foto vom 24-Stunden-Rennen von Le Mans aus dem Jahrbuch MMXIV © Paul Ripke
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Foto vom Trainingslager der Nationalelf aus dem Jahrbuch MMXIV © Paul Ripke

Die Schweiz, insbesondere Laax ist ein Ort, an den du immer wieder zurückkehrst. Was verbindest du mit Laax?

Ich finde die Schweiz als Land einfach geil und bin mal per Zufall nach Laax gekommen. Dort habe ich dann gute Freundschaften geschlossen und komme seitdem immer gern mal wieder her. Laax ist ein sehr moderner Ort und im Gegensatz zu Orten wie Davos oder St. Moritz begegnet man dort einer lockeren und coolen Snowboard- und Freeski-Szene. Ich hasse nämlich nichts mehr als Ski-Orte, wo ekelige reiche Menschen mit glitzernden Helmen durch die Gegend fahren. In Laax hat man das nicht.

Siehst du dich manchmal auch als Mentor oder Wegbegleiter?

Ja, auf jeden Fall. Lina Tesch ist zum Beispiel eine Person, die ich begleitet habe und ich würde mich in gewisser Weise vielleicht auch als fotografischen Vater bezeichnen. Wenn Leute fleißig und engagiert sind, dann kümmere ich mich sehr gerne und unterstütze. Ich finde dabei nach wie vor auch Kickstarter-Projekte, wie André Josselin es gerade angegangen ist, sehr spannend, weil ich am Ende auch so angefangen habe. Kleinteiligere Projekte sind sehr viel besser und am Ende häufig auch aussagekräftiger. Aus diesem Grund arbeite ich auch absolut nicht gerne mit großen Verlagen zusammen, das sind häufig einfach Ausbeuter.

Teil meines Anspruches ist insbesondere in der Zusammenarbeit mit Fotografen-Anwertern sehr offen zu sein und ich gebe auch klare Rückmeldungen, wenn jemand in meinen Augen mit der Fotografie nicht weitermachen sollten. Für diese ehrlichen und klaren Rückmeldungen sind die meisten, die mal eine zeitlang im StudioPR waren, sehr dankbar. Ich denke das es auch für die Zukunft der richtige Weg ist, Leute weiterhin zu unterstützen und zu begleiten, zumal das Ausbildungssystem für Fotografie in Deutschland unheimlich scheiße ist. Die Ausbildung hat meiner Ansicht nichts damit zu tun, was der Beruf des Fotografen erfordert.

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Momentaufnahme vom Spiel Liverpool gegen Chelsea aus dem Jahrbuch MMXIV © Paul Ripke

Jetzt steht demnächst eine große Veränderung für dich und deine Familie an. Du wirst in die USA nach Kalifornien gehen. Hast du schon konkrete Vorstellungen und Pläne was du in den USA machen wirst?

Dinge die mir wichtig sind, wie die Zusammenarbeit mit Marteria, werde ich weiterführen und in Deutschland weiterbegleiten und Fakt ist, dass ich mit dem StudioPR aufhören werde. Was konkret in den USA folgt ist noch nicht ganz klar. Ich bin einfach kein Typ für vorgefertigte Pläne. Ich habe nun mal das Projekt „Ripkedemy“ gestartet und werde in den USA ein paar Fotoworkshops anbieten, die sind soweit schon ziemlich in Stein gemeißelt und ich freue mich im September einige Workshops machen zu können. Ich kann meine Arbeit überall mit hinnehmen, Fotografie und Bewegtbild kennen so eigentlich keine Barrieren und Hürden, was zum Beispiel die Sprache angeht. Diese Chance habe ich nun ergriffen und möchte mit meiner Familie einfach mal woanders leben.

Zum Abschluss noch eine Frage: Was schätzt du an Hamburg und was wirst du vielleicht vermissen?

Ich bin kein Typ, der vermisst. Aber ich bin hier sehr glücklich. Hamburg ist eine höchst internationale Stadt und mir gefällt die politische Ausrichtung. Ich habe vor einigen Jahren mal auf einem Hausboot im Freihafen gewohnt, das war zum Beispiel eine coole Erfahrung.