Aminata Belli
© @eileenphotography

Ein guter Influencer weiß, dass er Leute beeinflusst.

von Laura Bähr

Was machst du als erstes, wenn du morgens aufstehst?
Das Erste, wenn ich morgens aufstehe, ist der Gedanke daran, was ich tun könnte. Meistens habe ich nämlich schon morgens das Gefühl, ich bin schon viel zu spät dran und hätte längst irgendwo hin gemusst. Also strukturiere ich erstmal im Kopf meinen Tag.

Du bist beruflich vielfältig aufgestellt. Kann man heutzutage überhaupt noch einen einzigen Beruf ausüben?
Ich glaube man kann und sollte, weil das dem Leben eine Regelmäßigkeit gibt, die dem Körper und der Seele gut tut. Es gibt aber auch Leute, die müssen mehrere Jobs machen, weil sie sonst zu wenig verdienen. Es ist gut, wenn man mehrere Sachen kann, aber man sollte sich glaube ich entscheiden. Ich konnte das nicht, deshalb mache ich alles (lacht).

Aktuell ein großes Thema in vielen Medien: Die Rush-Hour des Lebens. Das ständige Vergleichen. Kennst du das von dir selbst?
Wenn ich mir den Lebensalltag großer Blogger ansehe, die mal hier und mal da sind, habe ich nicht das Gefühl, dass ich Großes verpasse, weil ich auch weiß, wie viel Arbeit dahintersteckt und beispielsweise wie viele Mails die gerade parallel bearbeiten müssen. Ich weiß, dass sie das, was sie gerade erleben, meistens gar nicht so genießen können, weil sie ständig auf der Suche nach dem nächsten coolen Bild sind. Ich für mich habe meinen Rhythmus gefunden. Aber für die Leute, die da nicht so drinstecken und das nur von außen sehen – da ist der Reiz glaube ich groß. Die möchten all diese Dinge, die es so vielleicht gar nicht gibt auch haben.

“Meistens habe ich nämlich schon morgens das Gefühl, ich bin schon viel zu spät dran und hätte längst irgendwo hin gemusst.”

Warum ist dieses Interesse deiner Meinung nach so groß?
Weil die Menschen immer das haben wollen, was sie nicht haben. Weil sie denken, dass sie dann zufriedener sind, aber das wird nicht passieren, weil der Mensch nie ganz befriedigt ist – das ist der „struggle des lifes“.

Du hast deinen Job bei einem erfolgreichen Modemagazin aufgegeben, um genügend Zeit für die wichtigen Dinge des Lebens zu haben. Was sind die wichtigen Dinge in deinem Leben?
Die wichtigen Dinge sind für mich die Leute, die dich lieben und die du liebst. Familie, Freunde und du selbst. Das ist nicht der Schreibtisch. Deshalb sollte man da auch nicht zu viel Zeit verbringen. Eine Oma ist zum Beispiel vielleicht nicht immer da. Der Schreibtisch schon, aber der gibt dir am Ende des Tages nichts. Durch Karriere allein wird man nicht glücklich. Ich habe meine Entscheidung, diesen Job aufzugeben, nicht einen Tag bereut.

Kommen wir zum Thema Mode. Wenn du zurückdenkst, was hat sich in der Zeit, seit dem du dich mit Mode beschäftigst, verändert?
Vor allem das Verständnis. Wenn ich heute zu Zara gehe, kann ich das Spiel spielen, „welcher Designer ist das?“

Auf den Klamotten sind zwar keine Logos aufgedruckt, aber trotzdem erkennst du sofort, entweder an Schnitt oder Muster, von welchem Designer die Kopie stammt. Das gab es früher nicht. Früher kannten aber auch nicht so viele Leute die Schnitte von beispielsweise Chloé. Durch Social Media wie Instagram bekommen die Menschen viel mehr von den Highend-Fashion-Labels mit und wollen das plötzlich alle auch haben. Heute sind die Menschen viel mehr „into fashion“. Der Zugang hat sich verändert, man sieht auch ausgefallene Mode an den Menschen auf der Straße.

“Durch Karriere allein wird man nicht glücklich.”

Viele Modemarken werben inzwischen mit Influencern als Botschafter. Was hälst du von dieser Entwicklung?
Ich finde das gut. So kann sich jeder einen Zugang zu Mode schaffen. Wenn ein Blogger was trägt, hat man glaube ich mehr das Gefühl, dass man es selber auch tragen kann, als wenn es ein Model in einem Editorial einer Hochglanz-Zeitschrift präsentiert. Die Leute trauen sich dadurch mehr an auffällige Mode heran. Ich finde es gut, wenn Leute für eine Marke werben, die zu der Message passen, egal ob Model, Influencer oder eine Kassiererin.

Für welche Marke würdest du sofort werben?
Ich würde sofort für „Shea Moisture“ werben, die machen Beautyprodukte für Curly-Hair mit natürlichen Inhaltsstoffen. Bei Mode vielleicht für „Off White“. Man muss sich gut überlegen, wofür eine Marke steht und wie die Sachen produziert werden. Da müsste ich mich länger damit auseinandersetzten.

Achtest du viel auf so Dinge wie Biozertifikate?
Nicht wirklich, aber wenn ich mein Gesicht für eine Marke hergebe, dann will ich schon alles wissen. Selbst die Produkte, die ohne Tierversuche auskommen, arbeiten teilweise mit Studien, bei denen Tierversuche eine Rolle spielen. Das ist alles schwierig. Aber ich würde wahrscheinlich, wenn Marken wie „MAC“ oder „Maybelline“ fragen würden, auch einen Lippenstift bewerben.

(Anmerkung der Redaktion: Mittlerweile hat Aminata Belli eine Lippenstiftkollektion bei „Maybelline“ rausgebracht.)

Wie würdest du deinen Modestil beschreiben?

Wild, denn ich ziehe das an, worauf ich Lust habe. Mein Kleiderschrank besteht aus vielen Basics, ein paar guten Highend-Teilen und viel Vintage.

Dein ultimativer Modetipp für den nahenden Sommer?

Ich finde man braucht unbedingt ein tolles Vintage-Kleid. Aber dann muss man sich auch trauen es anzuziehen, auch wenn es aussieht wie von Oma. Am besten schnappt man es sich auch direkt aus dem Kleiderschrank seiner Oma *lacht*.

Was macht einen guten Influencer aus?

Ein guter Influencer weiß, dass er Leute beeinflusst. Jeder beeinflusst meiner Ansicht nach andere Menschen. Also sollte auch jeder das Bewusstsein haben, dass er mit dem was er tut, nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf andere wirkt. Wenn man eine große Reichweite hat, hat das natürlich eine ganz andere Wirkung, dann hören einem mehr Leute zu. Ich vergesse das aber auch oft und haue dann einfach meine Meinung raus. Ein guter Influencer macht sich Gedanken wie er beeinflusst, womit und vor allem auch warum.

Welchen Stellenwert nimmt Selbstdarstellung in deinem Leben ein?

Wenn man seinen eignen Instagram-Account mit sich selbst pusht, kommt man nicht drumherum sich selbst darzustellen. In wenigen Jahren werden viele Kinder vermutlich Depressionen haben, weil sie sich nur an Likes und Kommentaren messen. Wenn ich heute Kinder sehe, die durch die Straße gehen und nur am „snappen“ sind… Ich glaube wenn man jünger ist, ist das Ganze noch viel gefährlicher.

Wieso das?

Die Kids kennen es nicht anders. Die wachsen mit Snapchatfiltern auf und wissen von manchen Freunden vielleicht gar nicht, wie die in echt aussehen. Das ist doch scheiße. Das verschiebt Wunschvorstellung und Realität von Anfang an.

Geben dir Likes noch was?

Ich freue mich über sie. Ich bin jetzt nicht enttäuscht, wenn keine kommen, aber klar ich freue mich. Irgendwie erwartet man ja auch welche, muss ich gestehen. Mittlerweile freue ich mich aber viel mehr über Kommentare.

Wonach suchst du aus, was du postest?

Ich denke gar nicht so viel darüber nach. Wenn ich ein Outfit-Foto mache, ist das auch schnell fertig. Ich habe keine Lust auf 10 Versionen. Ich poste auch mal zwei Tage nichts. Wenn mir dann irgendjemand entfolgen will, bitte.

Einen Modeblog hattest du nie oder?

Nein.

Warum?

Weil ich lieber rede. Fotos zu machen, ist eigentlich gar nicht so mein Fall. Wenn dann würde ich lieber coole Texte schreiben, wie Claire Beermann. Die schreibt gute Texte mit ein paar tollen Bildern. Das ist was Journalistisches. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich noch irgendwo erzählen müsste, was ich mache. Irgendwann reicht es auch.

Du meintest schon, es sei manchmal auch schwer ein Vorbild zu sein. Welche Werte würdest du gerne vermitteln?

Ich würde Jugendlichen gerne vermitteln, dass sie gleichberechtigt denken und dass sie wissen, wie viel sie selbst und andere wert sind. Unabhängig von Hautfarben und allem. Und ich möchte, dass meine Follower wissen, dass diese „Instagramwelt“ nicht das Erstrebenswerteste ist.

Könntest du dir vorstellen demnächst auszusteigen?

Nein. Warum auch? Es macht mir Spaß und ich liebe es, dass ich so eine große Community habe und das ich immer Feedback bekomme. Wenn ich eine Frage stelle, bekomme ich immer eine Antwort. Das ist, als hätte man einen riesigen Freundeskreis, der immer bei einem ist.

Ist so ein großer Freundeskreis nicht auch anstrengend? ‘

Ich vergesse oft, wie viele Leute meine Posts eigentlich sehen. Manchmal ist es komisch, wenn Leute genau wissen, wo ich gerade herkomme und was ich gemacht habe, obwohl man die vielleicht gar nicht kennt. So eine Followerzahl kann man schwer greifen.

Gibt es in deinem Wunsch alles mit deinen Followern zu teilen Grenzen?

Ja, ich würde zum Beispiel nicht erzählen, wo ich wohne. Es gab da auch schon Stalkinggeschichten, da bekommt man dann Angst.

Du beschäftigst dich neben deiner Passion für Mode auch ganz viel mit Musik, arbeitest auch für „Warner Music“. Was macht gute Musik für dich aus?

Gute Musik transportiert ein Gefühl. Wenn du es fühlst, ist es gut. Dann ist es auch egal von wem die Musik kommt. Manchmal fühle ich zum Beispiel auch Sachen, von denen ich nie gedacht hätte, dass sie mich berühren.

Wie kommst du an neue Musik?

Früher war ich ein Crack darin neue Musik zu entdecken und hatte jeden neuen Song, jedes Musikvideo. Heute höre ich nur noch was Leute mir empfehlen oder worüber ich stolpere. Wirklich aktiv suche ich nicht mehr, die Musik kommt zu mir. Oder Spotify bietet mir etwas an, die wissen ja was mir gefällt.

Was war bisher dein spannendstes Interview in der Musikbranche?

Das mit Joy Denalane. Dabei haben wir gar nicht so viel über Musik gesprochen, sondern mehr über Diskriminierung. Ich bin seit langem ein großer Fan, das war wirklich eine Ehre mit ihr sprechen zu dürfen. Sonst beeindrucken mich Leute meist mit ihrer Art, gar nicht so sehr mit dem, was sie sagen.

Hast du Probleme mit Diskriminierung und Rassismus?

Ja, seit der Flüchtlingskrise habe ich das Gefühl die Gesellschaft denkt sich, sie hat das Recht ein bisschen mehr diskriminieren zu dürfen. Zum Beispiel wurde mir letztens in der Bahn erklärt, wie man sich in Deutschland verhält. Ich habe einem Kontrolleur wohl irgendwie die Karte falsch gezeigt und er hat mir in brüchigem Deutsch erklärt, wie das „hier“ funktioniert. Ich bin mir sicher, dass wäre einem blonden Mädchen nicht passiert. Ein Mann, der gegenüber von mir saß, hat dann auch was gesagt. Dass fand ich beruhigend. Manchmal denkt man dann ja auch man übertreibt.

Kannst du solches Verhalten nachvollziehen?

Ja schon. Ich glaube je nachdem wie man erzogen wurde, hat man da vielleicht einen Hass entwickelt. Und durch Social Media wird auch viel dazu mobilisiert, „andere“ Menschen wieder mehr auszugrenzen.

Letzte Frage: Wieso wohnst du hier in Hamburg? Was macht die Stadt für dich besonders?

Ich wohne hier, weil ich in der Nähe aufgewachsen bin, ich hier studiert habe und meine Familie hier ist. Würde ich in München wohnen, könnte ich nicht mehr spontan meine Oma besuchen. In Berlin würde ich glaube ich gar nicht mehr zur Ruhe kommen und Hamburg ist auch einfach eine tolle Stadt.

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