
Die Rolle des Topmodels, wie sie in den 1990er Jahren existierte, ist heute kaum noch vorhanden.
von Laura Bähr
Lisa, wie bist du Model geworden?
Ich hatte einen ganz klassischen Start und bin in den Beruf des Modelns einfach so reingerutscht. Als Jugendliche durfte ich meine Schwester, die auch als Model arbeitet, bei einer Fashion Show für Nachwuchsdesigner begleiten. Dort wurde ich dann von dem Designer angesprochen und plötzlich sollte ich ein Jahr später auch auf der Fashion Show mitlaufen. Erst einmal war ich natürlich skeptisch und dachte, dass daraus nicht mehr werden würde, dann wurde ich aber tatsächlich wieder angerufen und so bin ich in Frankfurt meine erste Show gelaufen. Bei den meisten Jobs lernt man dann neue Leute aus dem Business kennen und genau so war es auch auf dieser Show. Ich habe da unter anderem bekannte Fotografen getroffen, die mich dann für andere Aufträge fotografieren wollten und auf einmal war ich drin in der Modebranche.
Welche Fähigkeiten muss ein Model heute mitbringen, um erfolgreich zu sein?
Ich bin ja bereits vor mehreren Jahren in das Modebusiness eingestiegen und kann daher sagen, dass es heute auf jeden Fall auch auf andere Dinge ankommt. Fähigkeiten wie Disziplin und Ausdauer sind nach wie vor gefragt. Man muss freundlich zu den Kunden sein, sich selbst gut verkaufen können und Verlässlichkeit ausstrahlen. An so einem Model-Auftrag hängt meist viel dran, die Kunden und die Agentur zählen auf dich als Person. Mit so einer „Komm ich heute nicht, komm ich morgen-Einstellung“ hat man es in dem Beruf daher schwer. Gerade durch die Digitalisierung und die Social Media, vor allem Instagram, hat sich aber viel verändert. Immer mehr Privates wird dadurch in die Öffentlichkeit getragen und es braucht heutzutage, mehr denn je, einen besonderen, herausstechenden Charakter, um konkurrenzfähig zu sein. Nur schön sein reicht nicht mehr.
Welche Erfahrungen hast du bisher bei Castings gemacht und wie bewerten Kunden den Charakter eines Models?
Auf den großen Fashionweeks in Mailand oder Paris spielt der Charakter eines Models meist nur eine untergeordnete Rolle. Wenn man vom Aussehen und Stil den Vorstellungen eines Designers entspricht, dann läuft man die Show und viel mehr ist nicht gefragt. Meine Erfahrungen zeigen, dass es gerade in Deutschland etwas anders läuft. Da nehmen sich die Kunden mehr Zeit, um herauszufinden wer man ist, welche persönlichen Charaktereigenschaften einen auszeichnen. Es wird geschaut, ob man wirklich zu einer Marke passt. Mittlerweile ist auch hierfür Instagram ein wichtiges Medium. Die Kunden wollen wissen, wie man sich in den Social Media präsentiert und welche persönlichen Inhalte man mit der Öffentlichkeit teilt. Häufig muss man bereits vor Beginn eines Castings die eigenen Social-Media-Kanäle angeben, um überhaupt eingeladen zu werden.
Die Social Media werden also immer wichtiger in der Modebranche. Wie empfindest du diesen Wandel?
Ich bin zwiegespalten: Auf der einen Seite ist es eine Chance, um aufzufallen und auf sich aufmerksam zu machen. Auf der anderen Seite ist es aber auch eine Bedrohung für das klassische Modebusiness. Wenn man nicht bereit ist, viele private Dinge öffentlich zu machen, dann wird es schon schwierig. Und durch die Influencer und das ganze Social-Media-Marketing nimmt die Konkurrenz natürlich immer weiter zu. Insgesamt ist es daher deutlich schwieriger geworden an gute Jobs zu kommen und sich durchzusetzen.
Gibt es heute noch Topmodels wie Naomi Campbell oder Kate Moss?
Ich glaube das ist heutzutage schwieriger. Es gibt zu viel Konkurrenz, zu viele Möglichkeiten. Bei Topmodels haben die ganzen Social Media ja mittlerweile auch einen höheren Stellenwert. Models, die man heute vielleicht als Topmodels bezeichnen könnte, sind Personen wie Gigi Hadid. Bei diesen Personen spielt aber neben dem familiären Background, vor allem die Social Media eine wichtige Rolle. Aber die Rolle des Topmodels, wie sie in den 1990er Jahren existierte, ist heute kaum noch vorhanden.
Die Models werden heute auch immer jünger. Was sagst du zum Jugendwahn in der Modelszene?
Ja, das ist definitiv ein Problem. Gerade im Bereich Fashion werden die Models immer jünger. Auch wenn nach außen immer kommuniziert wird, dass darauf geachtet wird, dass die Models nicht zu dünn und zu jung sind. Wenn ich die Mädchen bei den Shows und Castings dann sehe, achtet niemand so wirklich auf das Alter. Natürlich ist das auch städteabhängig, aber gerade in Mailand und Paris ist es krass. Auch was Maße eines Models angeht: In Paris hatte ich selbst zu Zeiten, in denen ich sehr dünn war nie eine Chance.
Wie wichtig sind Sport und Ernährung in deinem Leben?
Ich musste bis zu einem gewissen Alter nie Sport machen. Aber so vor zwei, drei Jahren hat sich das geändert. *lacht* Erst dann habe ich angefangen mich damit auseinanderzusetzten. Aber auch nicht mit Zwang. Ich esse weiter was ich für richtig halte und versuche einen Sport zu finden, der mir Spaß macht. Ich liebe zum Beispiel Spinning. Bewusste und gesunde Ernährung ist ja für alle wichtig, aber das heißt nicht, dass man sich auch nicht mal was gönnen kann.
Kommen wir nochmal zu deiner Person. Was macht dich aus und was ist dein Markenzeichen?
Äußerlich habe ich ein besonderes Merkmal: Eine Falte über der Lippe, die zum Vorschein kommt, wenn ich lache. Und meine etwas schiefen Zähne natürlich. *lacht*
Und was macht deine Persönlichkeit aus?
Ich lache immer wahnsinnig viel und strahle damit eine positive Lebenseinstellung aus. Das ist auch das, was viele Kunden mögen. Dass ich am Set häufig fröhlich bin und gute Laune verbreite, kommt meist positiv an.
Gibt es Labels, für die du gerne einmal modeln würdest?
Die englische Modedesignerin Vivien Westwood finde ich sehr interessant. Sie ist eine wahnsinnig spannende und starke Frau und es wäre ein Traum von mir, einmal für sie arbeiten zu dürfen.
Beschäftigst du dich privat auch viel mit Mode?
Ich interessiere mich schon dafür, aber nicht zwanghaft. Also ich muss jetzt nicht sofort die neusten Kollektionen sehen oder kaufen. Nur in einem Rahmen, indem es mir Spaß macht. Ich gehe auch gerne in Jogginghose und Sportsachen raus. Ich kaufe wirklich nur sehr wenig Kleidung.
Bekommt man häufig die Entwürfe, die man präsentiert von den Designern geschenkt?
Nein, eigentlich nicht. Also es gibt Shows, da bekommt man die Sachen sozusagen als Bezahlung, aber das sind keine Shows, für die ich laufen würde. Von geschenkten Kleidungsstücken kann ich nämlich leider meine Miete nicht zahlen.
Hast du für die kommende Fashion Week in Berlin schon Aufträge?
Es gibt natürlich schon längerfristige Buchungen, aber die eigentlichen Castings sind immer erst ein paar Tage davor. Viele Models reisen meist erst kurzfristig aus dem Ausland an. Diese Saison werde ich aber zum ersten Mal nicht auf der Berliner Fashionweek laufen. Das liegt zum einen daran, dass ich mich auf neue Projekte fokussieren möchte. Zum anderen gibt es mittlerweile viele Models, die für sehr wenig Geld oder gar keine Bezahlung dort arbeiten. Und das drückt natürlich den ganzen Preis der Branche und ich bin nicht bereit für solche Dumpingpreise zu arbeiten.
In welchem finanziellen Spektrum bewegt sich das Gehalt für so eine Show denn?
Das variiert sehr stark. Das kommt auf die Stadt und den Anlass an. In Berlin sind die Gagen generell sehr niedrig. Zur Fashionweek in Mailand ist es ähnlich. Je höher der Konkurrenzdruck, desto geringer ist das Gehalt. Das fängt teilweise bei wenigen hundert Euro an und kann sich dann über 1.000 Euro steigern.
Du möchtest dich in Zukunft etwas vom Modelbusiness zurückziehen und andere Projekte angehen.
Ja, ich habe festgestellt, dass es keine Branche ist, die mich rundum erfüllt. Es macht mir Spaß, man lernt tolle Leute kennen, findet Freunde. Aber die Branche ist so schnelllebig, dass ich mir darin keine Zukunft vorstellen kann. Ich schaue ganz entspannt in die Zukunft. Was sich ergibt und worauf ich Lust habe, wird angenommen, aber ich möchte das Ganze nicht zwanghaft verfolgen. Der Druck dahinter ist auch einfach zu groß, da man selbständig arbeitet. Man geht zu so vielen Castings und hat durch die Schnelllebigkeit auch immer Angst durch die jüngere Generation abgelöst zu werden. Und ich glaube auch nicht, dass Models heute über Jahrzehnte Erfolg haben können.
Zum Abschluss noch eine Frage. Was ist dein Plan B?
Ich habe große Freude am Schauspiel und Bewegt-Bild und fühle mich vor der Kamera wohl. Das ist natürlich auch keine einfache Branche und die Konkurrenz ist auch in dieser Szene groß, aber es macht mir sehr viel mehr Spaß.