
Das Gesicht wird bei mir häufig zu einer Art Leinwand.
von Laura Bähr
Loni, wie kam es zu dem Wunsch Make-up-Artist zu werden?
Loni Baur: Als ich damit angefangen habe, war Make-up-Artist noch kein Trendberuf wie heute. In der Schule war mir schnell klar, dass ich irgendwas mit Kunst machen wollte. Am Anfang wollte ich allerdings eher in den Maskenbau, weil ich mit dem ganzen Thema “Schminken” noch gar nicht so viel am Hut hatte. Im Laufe meiner Karriere habe ich mich dann aber immer mehr verfeinert und bin von den Masken zu den einzelnen Wimpern gekommen.
Was bedeutet Make-up für dich?
Make-up ist für mich eine Form der Ausdrucksweise. Es ist eine schöne Art seine Persönlichkeit zu unterstreichen und sich gleichzeitig künstlerisch auszuleben. Es gibt schließlich nicht nur das “Schön-Schminken”, sondern auch das Spiel mit Textur, Pigmenten und Flüssigkeiten. Ich versuche immer wieder Wege zu finden, Make-up neu zu interpretieren. Das Gesicht wird bei mir oft zu einer Art Leinwand, auf der man sich als Make-up-Artist ausleben kann.
Weißt du direkt was du mit einem Gesicht machen möchtest, wenn du es siehst?
Ja, mittlerweile auf jeden Fall. Ich scanne oft auch schon während des Gespräches einzelne Teile des Gesichtes ab und überlege mir, was hier am besten passen würde. Die meisten jungen Mädchen brauchen eigentlich fast gar nichts, die haben schon wunderschöne Haut, große Augen und einen klaren Blick. Da addiere ich am liebsten nur einen kleinen Glanz, kämme die Wimpern oder mache ein Gel in die Augenbrauen. Bei anderen Gesichtern hat man direkt Lust, sich mit Farbe richtig auszuleben.
Wann kommt Make-up an seine Grenzen?
Man kann sehr viel machen, muss aber auch immer aufpassen, dass man es nicht übertreibt. Es sollten immer Materialien verwendet werden, die gut verträglich sind. In erster Linie steht immer das sich Wohlfühlen und gemeinsam was Spannendes kreieren im Vordergrund.
Was macht Schönheit für dich aus?
Es gibt super viele wunderschöne Menschen, die symmetrische Gesichter haben und wo alle Proportionen perfekt erscheinen. Ich mag Schönheit, die besonders ist und bei der Markel erlaubt sind. Authentizität ist das wertvollste Schönheitsmerkmal für mich. Sehr wichtig ist mir auch die innere Schönheit, die man Menschen sehr schnell anmerkt.
Setzt sich dieser Trend nach „Unperfektion“ aktuell auch in der Gesellschaft durch?
Natürlich gibt es immer noch viele, die nach dem perfekten Gesicht suchen, aber der Trend zu charismatischen Typen wird immer stärker. Gerade bei den Männern werden heute viel lieber die interessanten Gesichter mit markanten Ohren und einzigartigen Nasen ausgewählt. Die Sunny-Boys sind gar nicht mehr so gefragt, weil man die auch schnell wieder vergisst. Nichts ist so langweilig wie Perfektion.
Heutzutage wird einem von der Werbung häufig suggeriert, dass man nur mit hunderten von Produkten schön sein kann. Was sagst du dazu?
Skin-Care ist ein ganzheitliches Konzept. Es kommt nicht nur auf die Kosmetik und die Pflegeprodukte an. Man sollte auch auf seine Gesundheit und Ernährung achten, viel trinken, gut schlafen und sich immer vor der Sonne schützen.
Wie geht die junge Generation mit dem Begriff „Schönheit“ deiner Meinung nach um?
Ich glaube, gerade in der heutigen Zeit, ist der Druck an junge Mädchen sehr hoch. Schon im Alter von 13 Jahren bekommt man durch Social Media mit, wie wichtig Schönheit ist. Das führt dazu, dass viele Mädchen sich so stark schminken, um ihrer gefilterten Version auf Instagram so nah wie möglich zu kommen. So eine Richtung kann natürlich sehr gefährlich sein. Deswegen freue ich mich darüber, dass in der Modebranche aktuell ein Umdenken stattfindet und das es auch um Persönlichkeit und Charisma geht. Selbst das schönste Model muss heute das “gewisse Etwas” haben und zudem “performen” können, sonst hält sie nicht lange durch.
Verstehen die jungen Mädchen denn etwas von der Kunst des „Make-up“?
Auf jeden Fall! Durch die ganzen YouTube-Videos wissen die meisten jungen Menschen genau was sie tun und kennen sich sehr gut mit den Materialien gut. Das führt dazu, dass auch der Markt sich nach Ihnen richtet. Schließlich ist die junge Generation, die mit der größten Kaufkraft.
Mittlerweile schminkst du vermutlich neben den Models auch viele Influencer. Was hältst du von dieser neuen Gruppe?
Ich habe eine Weile gebraucht, diese Veränderung zu verstehen und zu akzeptieren, aber mittlerweile bin ich ganz fein damit. Es gibt viele Persönlichkeiten, die total cool sind. Wenn man sich demgegenüber öffnet und das Business dahinter erkennt, ist es sehr spannend. Caro Daur und Dagibee sind super Geschäftsfrauen, davor habe ich großen Respekt.
Woher nimmst du die Inspiration für deine Looks?
Ich liebe Kunstausstellungen und großen Museen. Außerdem lasse ich mich gerne vom Leben inspirieren und setze mich in Straßencafés und beobachte die Menschen. Die Natur bietet auch viel Platz für Phantasien. Häufig kommen mir durch die Ideen meiner Kinder neue Looks in den Sinn. Während wir als Erwachsene oft viel zu verkopft an Sachen herangehen, handeln Kinder häufig instinktiv und sehr kreativ.
Was braucht man, um sich in der Beauty-Branche einen Namen zu machen?
Früher brauchte man eine Handschrift, ein besonderes Merkmal, um von den großen Marken gebucht zu werden. Heute braucht man in erster Linie ein Netzwerk. Es geht leider nicht mehr so stark um die Looks, die man kreiert, sondern darum, wen man kennt.
Welche Rolle spielt Instagram für dich?
Eine große. Die Kunden checken heute eher den Instagram-Account anstatt die Website der Künstler, da man dort die Möglichkeit hat, gegebenenfalls auch etwas über die Persönlichkeit zu erfahren. Ich versuche aber eher den künstlerischen Aspekt meiner Art dort hervorzuheben und durch “Moods” zu zeigen, woher ich meine Inspiration nehme.
Welchen Anspruch hast du an deine Produkte?
Ich habe natürlich meine Lieblingsmarken- aber ich bin offen und probiere ständig neue Marken aus. Meine Produkte müssen nicht nur schick sein, sie müssen in erster Linie gut funktionieren und sich gut anfühlen. Die Farbabgabe ist mir persönlich sehr wichtig. Die Produkte müssen mich einfach überzeugen und haben meist auch nur eine Chance. Wenn der Lippenstift nicht funktioniert, dann ist er raus.