© Daniel Dittus

Till Reiners: Es gibt keine Genies, die nicht üben müssen. 

von Laura Bähr

Till, du giltst als Allzweckwaffe der deutschen Comedy- und Kabarett-Szene. Was muss man heutzutage mitbringen, um in dieser Szene Erfolg zu haben?
Till Reiners: Grundsätzlich hat sich da nicht viel geändert im Vergleich zu früher. Man muss Leute unterhalten können und zwar schlimmstenfalls unter der Bedingung, dass du darauf keinen Bock hast. Und: Das muss man nicht können, hilft aber enorm: Lustig schreiben können. Heute helfen ein eigener Podcast und guter Social-Media-Auftritt sehr. Ohne hat man es mittlerweile schwer.

Stefan Titze sagte in einem Interview mit uns: „Das Wort Talent ist meiner Meinung nach überholungsbedürftig“. Wie stehst du dazu? Braucht man Talent, um lustig zu sein oder ist alles nur Übungssache?
Till Reiners: Man braucht das Talent, um sich überhaupt verbessern zu können. Man muss ja merken: „Ah, das kommt nicht an“ und dann die Möglichkeit haben, etwas anderes auszuprobieren. Sonst spielst Du in 10 Jahren noch Nasenflöte und wunderst Dich, das keiner lacht. Ich weiß nicht genau, was der Kollege damit meinte, aber was ich auf jeden Fall unterstreichen würde, ist, dass wirklich niemand als der perfekte Comedian vom Himmel fällt. Es gibt keine „Genies“, die nicht üben müssen. 

„Niemand fällt als der perfekte Comedian vom Himmel.“

Wann wusstest du, dass Humor deine Passion und Berufung ist?
Till Reiners: Ich würde wirklich nie sagen, dass Humor meine „Passion“ ist, das klingt wie in einem schlechten Ausbildungs-Clip der IHK. Werde Maler – Streichen aus Passion!
Aber ja, ich liebe, was ich mache. Das fing klassisch in der Schule an und wurde dann über Theater und Poetryslam Stück für Stück professionalisiert. Glück gehabt, das man das hier als Beruf machen kann! Wenn ich im Sudan aufgewachsen wäre, wäre ich jetzt vielleicht ein sehr nerviger Bauarbeiter. 

Auf deinem Insta-Account schreibst du „Bescheidenheit als Stream“. Kommt man mit Bescheidenheit heute in der Welt noch weiter oder braucht es Egoismus, um die eigenen Ziele zu erreichen?
Till Reiners: „Bescheidenheit“ heißt mein altes Standup-Programm, das man jetzt streamen kann und das sehr gut ist! Ich fand es witzig, es so zu nennen, weil es zumindest für die Zeit, die man auf der Bühne steht natürlich gar nicht um Bescheidenheit geht. Da kommen Menschen und geben dir Geld, dass sie dir zuhören dürfen. Das ist ein absurdes Setting, um zu behaupten, dass man „bescheiden“ sei und es ist natürlich maximal großkotzig, das von sich selbst zu behaupten.

Es zeigt, dass „Bescheidenheit“ oft ne Pose ist. Es gibt diesen einen Spruch, der das perfekt zusammenfasst: „Mach Dich nicht so klein, so groß bist Du nicht.“ Und: Nein, man „braucht“ weder Egoismus noch Bescheidenheit, um etwas zu erreichen. Aber „ich muss egoistisch sein für meinen Job“ ist nur ne Ausrede. 

„Ich muss egoistisch sein für meinen Job ist nur ne Ausrede.“ 

Dir folgen auf den sozialen Medien Tausende von Menschen. Hast du manchmal auch Angst vor dieser Herausforderung? Vorbild und Idol zu sein?
Till Reiners: Haha! „Manchmal habe ich Angst davor, für tausend Menschen ein Vorbild zu sein“- wenn ich das ironiefrei sagen sollte, möchte ich, dass mich jemand einschläfert. Die Leute, die mir folgen, sehen mich nicht als Vorbild und ich bin heilfroh darüber.

Mit welchem Ziel gehst du vor deinen Programmen auf die Bühne? Geht es darum, möglichst viele Menschen zum Lachen zu bringen, nichts zu vergessen oder selbst die Zeit zu genießen?
Till Reiners: Im Idealfall alles. Stufe eins ist: nichts vergessen dann die Menschen zum Lachen bringen und wenn es mega läuft genießt man selbst die Zeit.

In einem Interview sagtest du mal „Humor hat für dich keine Funktion“. Was hat er dann?
Till Reiners: Er ist einfach da. In Deutschland gibt es einfach ein großes Problem mit dem Humorverständnis. Es muss immer einen Grund geben, etwas Produktives. Humor ist die Verneinung von all dem. Chill, Stefan, das Bruttosozialprodukt wird auch fetter, wenn du mal lachst.

„Die Leute, die mir folgen sehen mich nicht als Vorbild und ich bin heilfroh darüber.“

Humor scheint eine sehr komplizierte Angelegenheit, weil er sehr vielschichtig und unterschiedlich ist. Hast du ein Geheimrezept, mit dem du wirklich jeden zum Lachen bringst?
Till Reiners: Hinfallen, umfallen, etwas fallen lassen! Schwerkraft ist unser kleinster gemeinsamer Nenner. Mehr kann man dann sehen ab März bei 3Sat in „Till Reiners Happy Hour“.

Wie würdest du deinen Stil in Sachen Humor beschreiben? Wie hat sich dein Humor und die damit einhergehenden Programme in den letzten Jahren entwickelt und woran liegt das?
Till Reiners: Böse und verspielt, wie ein tollwütiger Pudel. Ich erzähle immer mehr Stories auf der Bühne, in dem ich Charaktere spiele, das macht mir am meisten Spaß, ist aber auch das Schwierigste: Das, was man sagen will in einer Geschichte verpacken.

Du hast dich nach deinem Politik-Studium gegen Behörden und für die Bühne entschieden und meintest dazu in einem Interview: Ich bin undiszipliniert und cholerisch und möchte, dass alles nach meinem Willen läuft. Deswegen muss ich allein auf die Bühne, das ist mein Feld. Geht Humor auf der Bühne auch zu zweit oder braucht es immer ein bisschen den Solo-Größenwahn?
Till Reiners: Das soll ich gesagt haben? Das klingt ja unsympathisch! Wenn ich das gesagt habe, distanziere ich mich von Vergangenheits-Till!  Man muss am Anfang schon ein bisschen verrückt sein, zu denken: Ich kann 90 Minuten lang Leute unterhalten, weil einfach niemand das am Anfang kann. Also etwas Selbsttäuschung muss sein, ja.

„Wenn ich im Sudan aufgewachsen wäre, wäre ich jetzt vielleicht ein sehr nerviger Bauarbeiter.“

Durch die Corona-Krise mussten viele kulturelle Programme und Comedy-Veranstaltungen abgesagt werden, viel findet digital statt, wie auch deine Videokonferenzshow „Homies“ auf ZDFneo mit deinem Stand-up-Kollegen Moritz ­Neumeier. Inwiefern hat das die Branche verändert? Macht diese Internet-Comedy ohne direktes Publikum wirklich so viel von der Kunst kaputt?
Till Reiners: Die Show macht nichts kaputt. Es ist eine Katastrophe, kein Publikum zu haben. Standup-Comedy braucht Publikum, sonst kann man es lassen. Es gibt Fernsehsendungen, die ohne Publikum auskommen, aber wenn ich echten Standup mache ohne Reaktion bin ich einfach nur ein Verrückter, der vor sich hinredet. Es ist, als würde ein Schwimmer in einem leeren Schwimmbecken Schwimmbewegungen machen.

Du sagtest mal in einem Interview mit der TAZ, du kannst dir nicht leisten, dass dich die Krise auch noch fett macht. Hat sich deine Beziehung zu deinem Körper verändert, seit du auf der Bühne stehst?
Till Reiners: Das war ein Scherz, weil mich während des Lockdowns die TAZ gefragt hat, ob ich Nudeln bunker. Wenn Sie Scherze mögen empfehle ich meinen neuen Podcast „Endlich normale Leute“ mit Ariana Baborie. Wenn nicht, dann auch – es merkt ja keiner, wenn Sie nicht lachen.

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