Stefan Titze
Stefan Titze © Max Sonnenschein

Stefan Titze: Das Wort Talent ist meiner Meinung nach überholungsbedürftig.

von Laura Bähr

Stefan, was war dein letzter Fehlkauf?
Stefan Titze: Gute Frage… Ein brauner Gürtel für einen Anzug. Der sah furchtbar aus, aber ich konnte ihn zum Glück umtauschen (lacht). Es war also kein schlimmer Fehlkauf, wie beispielsweise mein Staubsaugerroboter. Bei dem habe ich jetzt nach einem Jahr festgestellt, dass ich vermutlich gar keine Zeit gespart habe, weil ich Stunden damit verbringe, diesem Gerät beim Staubsaugen zuzuschauen.

Würdest du denn sagen, dass du grundsätzlich ein Fehlkauftyp bist?
Stefan Titze: Ja, ich bin wahnsinnig begeisterungsfähig, das wird mir oft zum Verhängnis. Naivität und Begeisterungsfähigkeit, in diesem – und den meisten anderen Fällen – eine schlechte Mischung.

“Ich bin wahnsinnig begeisterungsfähig, das wird mir oft zum Verhängnis.”

Dir wird immer wieder gesagt, dass du der Jüngste bist. Bist du zu spät geboren?
Stefan Titze: Nein, ich glaube nicht. Eigentlich bin ich mit meinem Geburtsjahr zufrieden. Wenn, dann bin ich eher ein bisschen zu früh geboren. Ich wäre gerne mit den jetzigen technischen Möglichkeiten aufgewachsen. Was andere Bereiche angeht, ist das aber auch anders: in Sachen Musik zum Beispiel. Ansonsten bin ich sehr glücklich mit der aktuellen Zeit. Gerade in meinem Beruf als Autor habe ich aktuell sehr viele Möglichkeiten. Die Unterhaltungsbranche in Deutschland befindet sich ja in einem spannenden Umbruch. Hier passiert gerade wahnsinnig viel Cooles.

Du wärst also gerne schon früher mit den sozialen Medien in Kontakt gekommen?
Stefan Titze: Ich habe vor ein paar Tagen mein altes Kinderzimmer in der Heimat ausgemistet und dort mein erstes Handy gefunden, was ich ewig mit mir rumgetragen habe. Was das für ein Knochen war (lacht). Da fiel mir dann ein, dass ich ja erst zu Abizeiten ein Smartphone hatte, mit dem man was anfangen konnte.

Ich bin nicht so technikpessimistisch wie viele andere meiner Altersgenossen. Ich finde es toll, wie viele Dinge so ein Smartphone mittlerweile kann und das man einfach permanent auf das Wissen der ganzen Welt zugreifen kann. Klar birgt so etwas auch Gefahren, aber das ist in der Geschichte der Menschheit schon tausend Mal vorgekommen. Man muss mit neuen Dingen immer vorsichtig umgehen, sie einschätzen lernen. Aber wegen der Gefahren die ganze Entwicklung zu verteufeln, finde ich falsch. Die Vorteile überwiegen.

“Ich finde es toll, wie viele Dinge so ein Smartphone mittlerweile kann und das man einfach permanent auf das Wissen der ganzen Welt zugreifen kann.”

Fühlst du dich als Teil der Generation Z beziehungsweiße glaubst du, dass bestimmte Charaktereigenschaften so einer Gruppe zugeordnet werden können?
Stefan Titze: Ich glaube schon. Es gibt große Unterschiede darin, wie die verschiedenen Generationen beispielsweise erzogen worden. Was sie in ihrer Kindheit und Jugend für Werte mitbekommen haben. Das prägt, auch unabhängig vom Individuum, eine ganze Gruppe. Schwierig ist es natürlich da die einzelnen Jahresgrenzen zu ziehen, aber wie will man es sonst festlegen.

Ich glaube die Übergänge sind fließend und man darf sich jetzt auch nicht nur als „Generation Z-ler“ definieren. Trotzdem beeinflusst es einen natürlich, wie die Eltern drauf waren und in welcher Zeit sie wiederum aufgewachsen sind. Es ist immer spannend, zu reflektieren, woher die Person kommt, die einem gerade sagt, was richtig oder falsch ist.

In einem Interview hast du mal gesagt, dass du keine Freizeit magst und dir Zeit nicht gut steht. Ein Problem unserer Generation? Brauchen wir ständig was zutun?
Stefan Titze: Das sage ich immer in Zeiten, in denen ich nicht so viel zu tun habe. Aktuell habe ich wieder eine intensive Arbeitsphase und würde mir wünschen, mal einen Tag frei zu haben. Ich weiß aber auch, dass mir das ab Tag zwei schon wieder nicht mehr gefallen würde. Ob das eine Generationsfrage ist, weiß ich gar nicht.

Natürlich haben wir, mehr als andere, von klein auf beigebracht bekommen, dass man etwas für seinen Erfolg tun muss. Viel Praxiserfahrung sammeln sollte und so weiter. Da ist Langweile nicht so gern gesehen. Auf der anderen Seite ist es unserer Generation ja wie kaum einer anderen wichtig, eine gesunde Work-Life-Balance zu hinzubekommen, sich gesund zu ernähren und eben auch genügend Zeit für Freunde und Familie zu haben. Das ist nix binäres.

“Wir haben, mehr als andere, von klein auf beigebracht bekommen, dass man etwas für seinen Erfolg tun muss.”

Du beschäftigst dich in deiner Freizeit auch viel mit dem Kunstmarkt. Warum?
Stefan Titze: Ich interessiere mich allgemein sehr für Kunst. Gemälde, Musik, Filme. Ich umgebe mich auch in meiner Wohnung gerne mit schönen Dingen. Dann habe ich irgendwann entdeckt, dass man ja wirklich auch als „normaler“ Mensch relativ einfach originale Kunst kaufen kann und habe das so ein bisschen zu meinem Hobby gemacht, wenn ich mal ein bisschen Geld übrig habe. Ich habe mich mit dem Kunstmarkt aber null auseinandergesetzt. Da gibt es noch viel zu lernen. Aber ein paar Bildern von Künstlern bei sich hängen zu haben, die ich toll finde, ist schon etwas Gutes.

Du warst bereits als Autor für große Formate wie Neo Magazin Royale und der Netflix-Serie „How to sell drugs online (fast)“ tätig. Was braucht es, um Texte zu schreiben, die die Menschen hören und sehen wollen?
Stefan Titze: Man muss sich natürlich in erster Linie viel mit der Materie auseinandersetzen. Wenn man wie bei „How to sell drugs online (fast)“ über das Darknet, Drogen und Generationen schreibt, dann muss man viel recherchieren und sich auf den jeweiligen Gebieten schlau machen. Auf der anderen Seite finde ich es sehr wichtig, über Dinge zu schreiben, die einen persönlich interessieren.

Wenn man dann nämlich durchs Leben geht, sucht man unterbewusst mit einer Art Filter immer wieder nach tollen Geschichten und entdeckt so für sich die besten Ideen. Ich habe mittlerweile tausend Notizen auf dem Laptop mit Ideen, auf die man immer wieder zurückgreifen kann. Am Ende ist das Ganze auch ein Handwerk und nicht nur eine Kunstform.

“Ich umgebe mich auch in meiner Wohnung gerne mit schönen Dingen.”

Du bedienst in erster Linie das Genre Comedy. Ist das auch die Emotion, die du am liebsten mit deiner Arbeit aus Menschen rausholen möchtest?
Stefan Titze: Auf jeden Fall. Das war von Anfang an klar. Ich liebe es, zu lachen und finde es das Beste überhaupt, diese Reaktion im Gegenüber auszulösen. Ich liebe Comedy-Serien, aber auch Bühnenstücke und Filme. Tatsächlich tue ich mir aber bei vielen klassischen Komödien in Spielfilmlänge immer ein bisschen schwer. Aber ansonsten liebe ich alles, was mit Comedy zu tun hat.

Treffen die nicht deinen Humor?
Stefan Titze: Meistens sind die Charaktere dann so überzeichnet. Comedy gefällt mir, wenn sie die Absurdität aus einem echten Gefühl, aus der Realität hervorkramt und eben nicht komplett aufgesetzt ist, wie in dem ein oder anderen Adam Sandler Film.

Beobachtest du den Markt und die Künstler die nachkommen?
Stefan Titze: Ja klar! Ich freue mich auch über jeden, der Bock hat, sich dieser Kunstform zuzuwenden. Durch das Internet und die ganzen Netflix-Shows wird Deutschland aktuell ja ein bisschen wachgerüttelt und es trauen sich glaube ich immer mehr Leute, ihrer Passion nachzugehen.

“Ich liebe es, zu lachen und finde es das Beste überhaupt, diese Reaktion im Gegenüber auszulösen.”

Kannst du den Beruf denn nach wie vor uneingeschränkt weiterempfehlen?
Stefan Titze: Auf jeden Fall. Ich selbst habe mich „damals“ ein bisschen allein gelassen gefühlt, weil mir die meisten eher davon abgeraten haben.Während der gesamten Schulzeit hatte ich das Gefühl, dass die naturwissenschaftlichen Fächer viel mehr gepusht wurden, als alle Kreativen. Allerdings glaube ich, dass es auch nicht so wichtig ist, welches Studienfach man studiert, am Ende ist es wichtig, dass man irgendwas macht, was so grob in die Richtung geht, worauf man Lust hat. Mit ein bisschen Glück lernt man dann dort ein paar spannende Leute kennen und der Rest ergibt sich dann ganz von alleine.

Würdest du Jan Böhmermann als deinen Mentor bezeichnen?
Stefan Titze: Die BTF auf jeden Fall, das ganze Team. Ich habe in den letzten Jahren so viel gelernt. Und klar, mit Jan Böhmermann habe ich im NEO MAGAZIN Autorenraum so viel Lebenszeit verbracht – er ist natürlich ein großes Vorbild. In den letzten Jahren sind allerdings nach und nach auch andere Leute in diese Position gerückt.

“Ich hatte während der gesamten Schulzeit das Gefühl, dass die naturwissenschaftlichen Fächer viel mehr gepusht wurden, als alle Kreativen.”

Du hast mal gesagt, du glaubst nicht an Talent…
Stefan Titze: Nein, nach wie vor nicht. Eine Stärke in Etwas fußt immer in der Vergangenheit der Person. Florentin Will, mein Co-Moderator beim PODCAST UFO zum Beispiel: Ihm wird immer nachgesagt, er hätte ja so viel Talent vor dem Mikrofon zu sprechen. Ja natürlich hat er das. Weil er das macht, seit er ganz klein ist. Er hat ja bereits mit fünf oder so die erste Kassetten mit eigenen Radioshows aufgenommen. Wenn man gute Unterhaltung machen kann oder gut schreiben kann, dann hat man das einfach schon immer gerne und deshalb viel gemacht. Das Wort Talent ist meiner Meinung nach ein bisschen überholungsbedürftig.

Deiner Meinung nach sollte man seine Passion trainieren wie einen Muskel. Warst du denn im Kindergarten schon der Klassenclown?
Stefan Titze: Ich habe schon immer gerne gelacht und bereits in meinem ersten Zeugnis stand, dass ich andere gerne unterhalte (lacht). Außerdem stand ich einfach schon immer gerne auf der Bühne beim Theater oder mit der Band. Dann fühlt man sich in diesem Umfeld eben auch schnell zuhause und lernt dazu.

Eine weitere Passion von dir sind deine Podcasts. Wieso wollen die Menschen auf einmal so viele Podcasts hören? Ist das die Gegenbewegung zum Visuellen über Instagram und Co.?
Stefan Titze: Man kann beim Einschlafen oder Fahrradfahren schließlich nicht gut Serien schauen, deswegen ist der Podcast einfach die intelligente Weiterentwicklung des Radios. Und es ist auch die einzige funktionierende Zukunftsidee dieses Mediums, schließlich wollen die Menschen nicht mehr vorgesetzt bekommen, was sie hören, sondern selbst wählen dürfen. Obwohl – ehrlich gesagt – diese Willkür auch toll sein kann.

Wenn man auf Deutschlandfunk dann zufällig einen Zwei-Stunden-Bericht über, keine Ahnung, Martin Luther hört, kann das toll sein: Endlich mal neue Luft in der Filterbubble. Es ist ab und zu eben auch wichtig, wieder auf neue Themen aufmerksam gemacht zu werden.

“Das Wort Talent ist meiner Meinung nach ein bisschen überholungsbedürftig.”

Ist der Podcastmarkt irgendwann gesättigt?
Stefan Titze: Ich finde es spannend, dass sich Podcasts immer wieder behaupten müssen. Bücher und Filme sind doch auch kein endliches Medium, wieso sollen es Podcasts sein? Ich freue mich immer, wenn Podcasts nachkommen. Ich meine, im schlechtesten Fall mag man sie nicht und man kann sich entscheiden, sie nicht zu hören. Aber selbst, wenn es nur zwei Leute interessiert, ist das doch toll und hat seine Berechtigung.

Du hast Journalismus studiert aber nach eigener Aussage nie wirklich gewissenhaft. Kein Beruf den man theoretisch lernen kann?
Stefan Titze: Nicht wirklich. Man braucht in unserer Gesellschaft, warum auch immer, ein abgeschlossenes Studium, um irgendwas beruflich starten zu können. Trotzdem weiß man erstmal gar nichts, wenn man nach dem Studium seinen ersten Job anfängt. Trotzdem würde ich immer wieder studieren, wenn ich die Wahl hätte. Man lernt spannende Leute mit ähnlichen Interessen kennen, hat einen guten Grund, um in eine andere Stadt zu ziehen und dort nebenbei Praxiserfahrung in den Bereichen zu sammeln, auf die man Lust hat.

“Man braucht in unserer Gesellschaft, warum auch immer, ein abgeschlossenes Studium, um irgendwas beruflich starten zu können.”

Du hast dann auch schnell gemerkt, dass dir der Beruf des klassischen Journalisten zu sehr an der harten Wirklichkeit ist. Sollte man sich von dieser Wirklichkeit abwenden, um Comedy zu machen?
Stefan Titze: Journalismus ist total wichtig und das macht auch – glaube ich – super viel Spaß. Nur mir leider nicht so sehr. Ich finde es muss die Pluralität aus ernsten, aber eben auch unterhaltenden Themen geben.

Du liebst es, Comedy-Shows in den USA zu besuchen. Können die Amis besser unterhalten?
Stefan Titze: Ja! Was Comedy angeht ist Deutschland wirklich noch ein Entwicklungsland. Immer wieder Interessant, wie abgeschlagen wir da sind. Comedy wird in Deutschland noch nicht als Kulturgut wahrgenommen. Die USA haben viel mehr Talente, viel mehr Möglichkeiten und seit Jahren eine super gut geölte Unterhaltungsmaschine. Dieses durch-industrialisierte Arbeit dort würde in Deutschland so gar nicht funktionieren.

In den USA reisen auch die größten Stars noch von Club zu Club, um ihr Material zu polishen, besser zu werden und auch einfach, weil sie so viel Spaß sehr großen Nachholbedarf. Aber ich bin zuversichtlich. Da passiert gerade eine Menge, nicht zuletzt wegen Netflix und Co.

“Was Comedy angeht ist Deutschland wirklich noch ein Entwicklungsland. Immer wieder Interessant, wie abgeschlagen wir da sind.”

Macht dir deine Reichweite manchmal auch Angst?
Stefan Titze: Angst nicht, aber ich mache mir schon vor jedem Post Gedanken. Ich bin mir der Verantwortung also durchaus bewusst. Wobei sich meine Reichweite bei Instagram und Twitter jetzt aber auch in Grenzen hält.

In einer Podcast-Folge meintest du mal, dein größter Traum wäre, dass alle Menschen dicker werden. Fühlst du dich unwohl in deinem Körper?
Stefan Titze: Ob du es glaubst oder nicht, aber in unserem Comedy-Podcast machen wir auch mal Scherze. Aktuell bin ich sehr glücklich mit meinem Körper, weil ich die letzten Monate auch endlich mal wieder Zeit hatte, Sport zu machen und mich gesund zu ernähren.

Was sagst du zum aktuellen Körperkult auf den sozialen Medien?
Stefan Titze: Naja, Instagram und Co. helfen einem da natürlich gar nicht. Da muss man wirklich aufpassen. Ich bin selbst auch schon oft in diese Falle getappt und habe mich dann schlecht gefühlt. Man darf nicht vergessen, dass da nicht selten ganze Teams hinterstecken und generell alles, was man zu sehen bekommt, ein feingeschliffenes, gefiltertes und zur Tode bearbeitetes Endresultat ist und keineswegs der Ausschnitt aus irgendeinem Leben.

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