Maximilian Mundt
Maximilian Mundt © Debora Brune

Stress ist ein gutes Mittel, um herauszufinden, wo die eigenen Grenzen liegen.

von Laura Bähr

Maximilian, bevor du mit „How to sell drugs online fast“ bekannt wurdest, wolltest du die Schauspielerei schon fast aufgeben. Glaubst du an Schicksal, dass dieses Skript dich zur richtigen Zeit erreicht hat? 
Maximilian Mundt: Tatsächlich bin ich heute sehr froh, dass ich nach meiner ersten Hauptrolle in einem Kinofilm 2015 nicht direkt durchgestartet bin, wie ich es mir zu diesem Zeitpunkt gewünscht hätte. So hatte ich die Zeit an der Filmhochschule Regie zu studieren und konnte wichtige Erfahrungen hinter der Kamera sammeln. Dafür hätte ich sonst keine Minute mehr gefunden, denn beim Regiestudium kann man nichts parallel machen. Also falls es Schicksal war, dann wollte es mir die Chance geben, im richtigen Moment nochmal andere Dinge zu tun. 

Wie gehst du im Schauspiel damit um, dass dein Schicksal immer von jemandem abhängt, der vielleicht etwas in dir sieht?
Maximilian Mundt: Es ist super anstrengend. Man ist ständig auf andere angewiesen, muss sich abstimmen und kann zum Beispiel nicht einfach mal nach Lust und Laune sein Äußeres ändern. Einfach mal spontan eine Glatze? Geht nicht, schließlich muss der Anschluss an die nächste Szene stimmen. Aber das gehört zum Beruf, damit komme ich klar. Schließlich verdiene ich damit gutes Geld. Aber deshalb ist es mir wichtig, zwischen zwei Rollen meine eigenen Projekte umzusetzen. Bei denen halte ich das Zepter in der Hand (lacht). Im April habe ich zum Beispiel mit meiner Mitbewohnerin einen Kurzfilm entwickelt. Und mit dem entsprechenden Serienbooklet treten wir jetzt an Produktionsfirmen heran. 

Man ist ständig auf andere angewiesen, muss sich abstimmen und kann zum Beispiel nicht einfach mal nach Lust und Laune sein Äußeres ändern.

Was gibt dir die Regie, was dir das Schauspiel nicht geben kann? 
Maximilian Mundt: Man ist von Anfang bis Ende beim Projekt dabei und an jeder Entscheidung beteiligt. Als Schauspieler ist man ein Teil von vielen Puzzlesteinen, die zusammenpassen müssen. Ich habe die Verantwortung für meine Rolle, mehr nicht. Als Regisseur habe ich die gesamte Produktion im Blick, arbeite mit der  Kreativität meines Teams für die gemeinsame Vision. Das ist ein tolles Gefühl. 

Du sagtest mal in einem Interview, dass viele Menschen bis heute nicht verstanden haben, dass du nicht Moritz aus HTSDOF bist. Hast du Angst, dass die erste Rolle etwas ist, was einen für immer prägt?
Maximilian Mundt: Die erste Rolle prägt einen Schauspieler ungemein. Ich bin total glücklich, dass Moritz meine erste große Rolle war, da sich der Charakter über die Staffeln hinweg schon extrem entwickelt hat. Vom Nerd über das Oberarschloch bis hin zum Oberboss war alles dabei. Eine große Bandbreite, die verhindert, dass man direkt in eine Schublade gesteckt wird. Mein nächstes Projekt ist eine Serie mit David Hesselhoff, die wieder eine ganz andere Seite von mir zeigt. 

Was gibt es Schöneres als in fremde Leben zu schlüpfen und dafür auch noch Geld zu bekommen. 

Wie ist es für dich als Schauspieler in die Gefühlswelt einer anderen Person zu schlüpfen? Braucht es danach immer eine Entzugsphase?
Maximilian Mundt: Ich kann mich relativ schnell wieder von meiner Rolle abgrenzen. Wenn an einem Drehtag die letzte Klappe fällt, bin ich in der Regel direkt wieder ich. Allerdings denke ich mir am Set oft, was ist das eigentlich für einen merkwürdiger, privilegierter Beruf, den ich hier ausführe (lacht). 70 Leute stehen rum, dürfen nicht reden und überall stehen Kameras. Es gibt glaube ich in keinem Bereich ist die Hierarchie so krass wie beim Film. Wie eine Art Pyramide und nur der, der ganz oben steht, darf etwas sagen. Die anderen müssen leise sein.

Der absurdeste Moment ist immer, wenn ein Nurton aufgenommen wird. Wenn es also nur um die Atmo einer Szene geht. Dann müssen auf einmal alle ruhig sein. Von einem Moment auf den anderen wird es am Set ganz ruhig, alle bleiben stehen, wo sie gerade sind und hören damit auf, was sie gerade tun. Da schaut man sich um und fragt sich, Was tun wir hier?

Die Schauspielbranche ist aktuell sehr gesättigt, keine Vergleiche zu ziehen, fällt sicher schwer. Wie schafft man sich seinen Marktwert in der Branche?
Maximilian Mundt: Das ist schwierig. In der Schauspielbranche sind Vergleiche und ständige Konkurrenz an der Tagesordnung. Es ist ein schwieriges Milieu. Ich habe das Gefühl, es gibt kaum einen Beruf, in dem man so viel Angst hat, Angst zu versagen, Angst nicht besetzt zu werden, Angst in den paar Minuten, die man vor der Kamera hat, nicht abzuliefern. Schließlich ist Zeit in der Filmbranche bares Geld. In jeder Minute, in der die Kamera läuft, müssen so viele Menschen bezahlt werden, das erhöht den Druck nochmal. Da träge ich als Schauspieler eine riesige Verantwortung. Auf der anderen Seite ist natürlich auch alles super aufregend und man freut sich permanent über diesen Adrenalinschub. Was gibt es Schöneres als in fremde Leben zu schlüpfen und dafür auch noch Geld zu bekommen. 

In jeder Minute, in der die Kamera läuft, müssen so viele Menschen bezahlt werden, das erhöht den Druck nochmal.

Was hat heute mehr Macht, eine internationale Netflix-Serie, die direkt in alle Sprachen übersetzt wird oder eine deutsche Kinoproduktion? 
Maximilian Mundt: Macht ist das falsche Wort. Populär macht dich die Produktion, die in 196 Ländern zu sehen ist. Das ist heute bei den Streaming-Portalen der Fall, nicht beim deutschen Film. Aber ich glaube, egal was man für einen Streamingerfolg hat, bei einem erfolgreichen Kinofilm mitgespielt zu haben, ist nach wie vor ein großes Ziel von vielen Kollegen und Kolleginnen. Gerade wenn der Film dann auch auf bekannten Filmfesten wie der Berlinale und Co. gezeigt wird. Das ist immer noch ein anderes Gefühl von Qualität und künstlerischer Wertschätzung, die man heutzutage sonst nicht mehr so leicht findet. „How to sell drugs online fast“ wurde ja auch in Cannes auf der MipTV vorgestellt, jedoch konnten wir da nur zwei Folgen zeigen. Das ist natürlich etwas ganz anderes als beim Filmfestival von Cannes über den roten Teppich zu schreiten und die ganze Welt schaut zu. 

Du hast mal in einem Interview gesagt, dass du beim Theater den Mut zur Hässlichkeit gelernt hast und diese Fähigkeit für die Rolle des Moritz auch gebraucht hast. Haben es gutaussehende Menschen im Leben und in der Branche leichter? 
Maximilian Mundt: Die klassischen Heldenrollen werden immer noch mit normschönen Menschen besetzt. Die ganze Filmbranche ist früher wie heute eine Branche der schönen Menschen. Alle Charaktere, die vor der Kamera stehen, sind schön und entsprechen auf irgendeine Art den gängigen Schönheitsidealen. Schließlich ist der Film ein visuelles Medium, das die Menschen optisch ansprechen will. Lediglich bei den Nerdrollen und den leicht verschobenen Figuren darf man aktuell, so mein Gefühl, ein bisschen aus der Reihe tanzen. Aber an der Besetzung der klassischen Schönheiten ändert das nichts. Eigentlich auch ziemlich langweilig, wenn man mal darüber nachdenkt. 

Die klassischen Heldenenrollen werden immer noch mit normschönen Menschen besetzt.

Du giltst als Gesicht der Generation Z und als Symbol einer neuen Männlichkeit. Was bedeutet Männlichkeit für dich? 
Maximilian Mundt: Ich bin immer noch verwundert, wenn ich diesen Begriff höre. Ein Symbol einer neuen Männlichkeit. Was ist das denn für eine Männlichkeit? Und wie war eigentlich die Männlichkeit davor? Und was tue ich aktiv dafür, dieses Symbol zu sein? Ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob das ein Kompliment oder eine Beleidigung sein soll (lacht). Bin ich weniger männlich als die Generation davor?

Grundsätzlich ist der Begriff der Männlichkeit natürlich meine Geschlechtsidentität, mit der ich mich identifiziere, mit der ich aber gleichzeitig natürlich auch zu kämpfen habe. Man möchte gewissen Normen entsprechen, denen man dann aber nicht entsprechen kann. Es werden Erwartungen an einen gestellt, die man selbst erstmal hinterfragen muss. Grundsätzlich versuche ich mir immer die Frage zu stellen. Mache ich diese Dinge, weil die Gesellschaft das von mir als männlich gelesener Person erwartet, oder tue ich das aus eigener Überzeugung? 

Ich habe das Gefühl, es gibt kaum einen Beruf, in dem man so viel Angst hat, Angst zu versagen, Angst nicht besetzt zu werden, Angst in den paar Minuten, die man vor der Kamera hat, nicht abzuliefern.

Um mit dem Stress während der ersten Drehphase umzugehen, warst du in einer Gesprächstherapie. Macht der Stress die Menschheit langsam aber sicher kaputt? Welchen Weg hast du für dich gefunden, um mental gesund zu bleiben?
Maximilian Mundt: Ich glaube Stress ist ein gutes Mittel, um herauszufinden, wo die eigenen Grenzen liegen. Meist merkt man erst in stressigen Ausnahmesituationen, wozu man eigentlich fähig ist und ich liebe das Gefühl herausgefordert zu werden. Ich glaube, es gibt so viele Menschen, die jeden Tag einem Beruf nachgehen, der sie im Grunde überhaupt nicht fordert und nicht mal annähernd ihr Potenzial ausschöpft.

Durch den Stress kommt man an seine eigenen Grenzen und spürt sich viel intensiver. Aber natürlich ist es auch ein gefährlicher Grad und man muss aufpassen, dass das Ganze nicht toxisch wird. Das man nicht süchtig nach dieser Gradwanderung wird, denn das belastet sowohl den Körper als auch den Geist. Ich persönlich würde mich langweilen, wenn ich den Stress und die immer wiederkehrende Herausforderung nicht hätte, aber ich finde es auch wichtig darüber zu sprechen, deshalb auch die Gesprächstherapie. So kann man sich selbst Grenzen setzen und direkt merken, wenn das eigene Level erreicht ist, anstatt sich immer wieder darüber hinaus zu pushen, denn dann wird es gefährlich.  

Meist merkt man erst in stressigen Ausnahmesituationen, wozu man eigentlich fähig ist und ich liebe das Gefühl herausgefordert zu werden.

Aktuell regiert das Zeitalter des Individualismus, jeder möchte sich gerne selbst verwirklichen. Außerdem hat man das Gefühl, wir müssen ständig an uns arbeiten und weiterkommen, ständig „Aufblühen“. Wie stehst du zu dieser ständigen Selbstoptimierung? Bist du zufrieden mit dir selbst?
Maximilian Mundt: Ich bin sehr zufrieden gerade, ja. Dem Trend der Selbstoptimierung stehe ich zwiegespalten gegenüber. Auf der einen Seite finde ich es sehr wichtig, dass wir uns und unsere Zeit in einem positiven Sinne ständig hinterfragen und als Gemeinschaft und Gesellschaft daran wachsen. Wenn es jedoch nur um Aussehen, Erfolg und Karriere geht, ist das gefährlich, weil man gerade durch die Darstellung in den sozialen Medien immer nur die halbe Wahrheit kennt. Ein Regisseur, der in den 80er Jahren aufgewachsen ist, hat mal zu mir gesagt, dass er das Privileg hatte, nicht alles zu wissen. Das fand ich einen spannenden Gedanken. Wir meinen heute heute alles zu wissen, haben zu so vielem so leicht Zugang und können und machen uns dadurch permanent wahnsinnigen Druck. 

Ein Regisseur, der in den 80er Jahren aufgewachsen ist, hat mal zu mir gesagt, dass er das Privileg hatte, nicht alles zu wissen.

Würdest du sagen im Film sind irgendwann, ähnlich wie in der Musik, alle Möglichkeiten ausgeschöpft und alle Geschichte erzählt? 
Maximilian Mundt: Ich glaube der Film hat es einfacher als die Musik. Es ist heute natürlich schwierig neue Instrumente zu entdecken und Tonfolgen zu entwickeln, die innerhalb von drei Minuten ein ganz neues Feeling übermitteln. Beim Film habe aber nach wie vor das Gefühl, dass es noch so vieles gibt, was bisher nicht erzählt wurde. Die Möglichkeiten ändern sich im Film rasant und mit ihnen die Form, wie die Geschichten erzählt werden.

Die Serie, die ich beispielsweise mit meiner Mitbewohnerin entwickle, präsentiert eine Geschichte, die bisher so noch nie gezeigt wurde. Wir waren selbst überrascht, dass noch niemand auf diese Idee gekommen ist (lacht). Ich glaube da liegt noch viel im Verborgenen und man muss einfach mutig sein und auch mal Neues ausprobieren. Viele Filmemacher und Produktionsfirmen setzten natürlich auch gerne auf bewährte Skripte, weil man einfach weiß, dass die funktionieren. Aber wenn man mal über diesen sicheren Tellerrand blickt, sehe ich noch lange kein Ende für originelle und noch nie gesehene Geschichten. 

Beim Film habe aber nach wie vor das Gefühl, dass es noch so vieles gibt, was bisher nicht erzählt wurde.

Welche Rolle spielt Geld in deinem Leben? 
Maximilian Mundt: Es ist wahnsinnig schwierig in unserer kapitalistischen Welt ohne Geld zu überleben. Geld ist ein Möglichkeitsmacher. Was ich spannend finde, ist die aktuelle Bewegung, dass sich auf einmal so viele junge Menschen intensiv mit dem Thema Geld auseinandersetzen. Sie kaufen Aktien und ETFs und unterhalten sich über den Finanzmarkt und wollen, dass das Geld „für sie arbeitet“. Man hat das Gefühl alle haben aktuell große Angst Geld zu verlieren und der Inflation zum Opfer zu fallen. Mich überfordert dieses ganze Geldanlegen-Thema noch total.

Meine Mutter ist Krankenschwester, mein Vater Taxifahrer, das heißt, bei uns war jetzt nie übermäßig Geld da, aber es hat auch immer irgendwie gereicht. Dadurch habe ich ein großes Grundvertrauen aufgebaut und war nie in Sorge, dass das Geld irgendwann nicht mehr da ist. Vielleicht ist das der Grund, wieso ich heute nicht ständig Geld scheffeln und anlegen muss. Ich glaube, man muss auch aufpassen, dass die eigene Beziehung zum Geld nicht verkrampft und man dann irgendwann gar keine Lust mehr hat, Geld auszugeben und daran Freude zu haben. Aber das ist natürlich auch eine privilegierte Sicht von mir. Ich habe total Angst in meinem Job, aber ich habe keine Angst vor meiner Zukunft (lacht). 

Die Schauspielerin Lea van Acken sagte in einem Interview mit uns: Wenn man alles kann und alle Möglichkeiten hat, muss man sich noch genauer überlegen, was man wirklich will. Was willst du? Was ist für dich der Sinn des Lebens? 
Maximilian Mundt: Das ist ein richtiger Gedanke. Ich bin da nicht so anspruchsvoll, ich brauche ausreichend Schlaf, gutes Essen und Harmonie. Das sind meine Grundbedürfnisse. Mein Geld fließt nicht in Immobilien, Autos und Klamotten, sondern in Essen. Gutes Essen ist für mich ungemein wichtig, da werden so viele Endorphine ausgeschüttet, dafür lebe ich. 

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