
„Wenn man die Welt aus dem Blick verliert, ist die Arbeit des Schauspielers schwierig.“
von Laura Bähr
Friedrich, neben deiner Tätigkeit als Schauspieler bist du auch als Sprecher tätig, aktuell für das Audible Original „Virtual Island – ein fast perfektes Abenteuer“. Was würdest du denn sagen kann das Hörspiel, was der Film nicht kann?
Friedrich Mücke: Das lässt sich am Beispiel von „Virtual Island“ perfekt beschreiben. Als Autor eines Hörspiels kann man einfach und schnell tolle Orte entstehen lassen. Man hat eine Idee und kann mithilfe von Figuren, Beschreibungen und dem perfekten Sound atemberaubende Welten erschaffen. Und dabei kann man eben schneller agieren als im Film. Es braucht kürzere Weg und weniger Budget. Technisch gesehen kann der Film heutzutage mit unserer ganzen modernen Technik natürlich auch schon sehr viel, aber beim Sprechen ist einfach ausnahmslos alles möglich.
Woher weiß man als Künstler beim Hörspiel, ob einem eine Szene gelungen ist?
Friedrich Mücke: Ich weiß meist schon direkt beim Lesen eines Skriptes oder Hörbuchs, ob das meine Sprache ist und ob ich das Gefühl habe, dass ich das gut rüberbringen kann. Der Rest ist dann Handwerk. Das bekommt man in einer Sprecher- oder auch Schauspielausbildung mit auf den Weg. Im besten Fall ist die Situation, in der man spricht, dann auch schon „vorvisualisiert“, indem man vorab mit dem Autor gesprochen hat oder die Szene im Skript skizziert ist. Wenn ich weiß, dass mir an dieser Stelle gerade eine S-Bahn um die Ohren fliegt, kann ich natürlich ganz anders an die Szene rangehen.
Eigentlich ist es ähnlich wie beim Greenscreen. Da muss man sich auch selbst in die Szenen und Welten denken. Aber ich finde tatsächlich, dass das gar nicht mal unbedingt einen guten Sprecher ausmacht, dieses „Reindenken“ in die Welten. Es gibt auch Menschen, die haben eine ungeheure Vorstellungskraft, sprechen aber trotzdem ganz furchtbar. Sie können die Dinge, die sie im Kopf sehen, einfach nicht durch ihre Stimme vermitteln. Im besten Fall kann man beides (lacht).
Ich weiß meist schon direkt beim Lesen eines Skriptes oder Hörbuchs, ob das meine Sprache ist und ob ich das Gefühl habe, dass ich das gut rüberbringen kann.
Deine Figur Derek sagt in einer Szene, „in der Virtual Reality wird man nie enttäuscht und wenn doch, kann man das Programm einfach neu starten.“ Haben wir als Gesellschaft durch den Umgang mit immer mehr Technik den Bezug zum realen Leben verloren?
Friedrich Mücke: Noch nicht und ich hoffe das bleibt so. Aber ich finde, dass wir offen darüber sprechen müssen, weil die Bewegung einfach sehr groß und gravierend ist. Gerade die Bestrebungen in Richtung KI, die ich ja auch total nachvollziehen kann, sollten offen und transparent durchdacht werden. Natürlich will der Mensch wissen, woher er kommt und natürlich will er ausprobieren, was noch alles möglich ist. Aber es hat eben alles seine Vor- und Nachteile. Und damit wir als Menschen den Bezug zum realen Leben nicht verlieren, sollten wir uns das immer wieder bewusst machen und uns die großen ethischen und moralischen Fragen stellen. Im Grunde kann man die ganze Bewegung ja auch kaum aufhalten, das ist der Lauf der Dinge. Nichtsdestotrotz können wir die Dinge hin und wieder auch hinterfragen. Ich persönlich würde eine reale Reise auch nach wie vor einem Virtual Reality-Urlaub vorziehen, aber wenn das Ganze nachhaltig und individuell erlebbar werden würde, dann wird es möglicherweise grenzwertig und bestimmt für sehr viele Menschen ein großer Reiz.
Du sagtest in einem Interview, dass du selbst kaum noch zählen kannst, wie viele Serien du die letzte Zeit angefangen und nach einer Folge wieder abgebrochen hast. Wie gehst du als Künstler damit um, dass Filme und Serien immer mehr zur Nebenbeschäftigung werden?
Friedrich Mücke: Als Mensch, der in dieser Branche arbeitet, bin ich sehr beeindruckt von dem sich öffnenden Markt. Es gibt ja heutzutage kaum etwas, was es nicht gibt. Menschen bekommen die Chance, Teil von Film- und Serienprodukten zu sein, für die es bis dato undenkbar war. Aber als Konsument finde ich die Masse, die Menge an Produkten überfordernd. Ich durchblicke das alles gar nicht mehr. Und bin teilweise so von dem Angebot und auch von den Vorschlägen der Programme im Sinne von „Ihnen gefällt bestimmt X, weil ihnen auch Y gefällt“, überfordert. Vermutlich ist es eine Art Rückschritt, aber ich höre eigentlich nur noch auf Empfehlungen von Freunden. Dieser unfassbare Hype auf Serien sorgt dafür, dass man 24 Stunden am Tag Serien schauen müsste, um auf dem neusten Stand zu sein. Aber das Leben besteht ja zum Glück auch noch aus mehr. Das darf man vor lauter spannender Neuerscheinungen nicht vergessen. Ich achte mittlerweile darauf, dass ich nicht zu viele Streamingdienste gleichzeitig abonniere und kündige dann auch direkt nach Abschluss eine Serie wieder, dass ich gezielt streamen kann (lacht).
Dieser unfassbare Hype auf Serien sorgt dafür, dass man 24 Stunden am Tag Serien schauen müsste, um auf dem neusten Stand zu sein. Aber das Leben besteht ja zum Glück auch noch aus mehr.
Hat der Kampf um die Zeit der Zuschauer deine Arbeit als Schauspieler verändert?
Friedrich Mücke: Ja, auf jeden Fall. Man merkt das tatsächlich direkt an den Menschen, die sich um die Umsetzung solch eines Projektes kümmern. Und am Skript, also wie etwas geschrieben ist. Man kann heutzutage alles schreiben, was aber nicht heißt, dass es dann auch so umgesetzt wird. Diese Diskrepanz zwischen Skript und fertigem Film findet man immer häufiger. Mittlerweile bin ich deshalb in meiner Begeisterung von tollen Skripten vorsichtiger. Wenn ich ein Buch bekomme, was ich toll finde, lerne ich gerne auch direkt die Menschen dahinter kennen, die die Geschichte umsetzen. Nur so kann man einschätzen, was aus dem Rohdiamanten an Skript auch wirklich gemacht wird und mit welchem Ziel der Regisseur in den Kampf um die Zeit der Zuschauer geht. Und ein Zeitthema ist natürlich immer auch ein Geld- und Motivationsthema. Durch die große Auswahl müssen die einzelnen Filme eigentlich immer besser werden, sonst hat man gar keine Chance mehr aufzufallen.
Du bist ja schon seit 10 Jahren im Business. Wie schafft man es, seine Leidenschaft für die Passion zu erhalten, wenn man ja trotzdem jeden Tag Geld mit seinem Beruf verdienen muss?
Friedrich Mücke: Sich rarmachen ist wichtig. Man kann sich seine gesamte Karriere ruinieren, wenn man am Anfang zu viel und die falschen Dinge macht. Das hat sich jetzt mit dem aufblühenden Serienmarkt ein bisschen gewandelt. Heute verzeiht man es den Leuten eher, wenn sie fünf Serien im Jahr machen, die dann aber auch wirklich alle gut sind. Wenn jemand früher viel gedreht hat, war häufig viel Trash dabei, das muss ich so sagen. Der Qualitätsstandard ist mittlerweile sehr gestiegen. Auch die ständige Weiterbildung rund um die eigene Person und das Schauspiel mit seinen Methoden ist sehr wichtig. Und die Zuverlässigkeit sich auf jeden Film und jede Serienfolge mit der gleichen Motivation und dem gleichen Ehrgeiz vorzubereiten. Keine Routine aufkommen zu lassen. Man muss wach bleiben, sich mit der Filmwelt, aber auch der realen Welt auseinandersetzen und die Gesellschaft im Blick behalten. Schließlich geht es nach wie vor um Menschen, die man da spielt. Wenn man die Welt aus dem Blick verliert, ist die Arbeit des Schauspielers schwierig. Und mit das Wichtigste: Körperlich gesund bleiben!
Man muss wach bleiben, sich mit der Filmwelt, aber auch der realen Welt auseinandersetzen und die Gesellschaft im Blick behalten.
Wie gehst du damit um, permanent von der Gunst anderer abhängig zu sein?
Friedrich Mücke: Das gehört einfach zum Job dazu. Das habe ich schon lange akzeptiert. Wenn man natürlich unbedingt eine Rolle will und die bekommt dann jemand anderes, dann ist es mal für ein paar Tage blöd, aber dann geht es auch wieder. Als Schauspieler kennt man die Branche gar nicht anders. Umso wichtiger ist es, sich auch über die Zusprüche und Chancen wirklich zu freuen und dankbar zu sein.
Lernst du nach all den Jahren in jedem Projekt noch mal etwas Neues über dich?
Friedrich Mücke: Das kommt natürlich auf die Rolle an, aber grundsätzlich schon ja. Gerade wenn man eine Hauptrolle in einer Serie besetzt, die einen über einige Wochen und Monate begleitet, dann macht man schon intensive Erfahrungen. Die Rolle muss im besten Fall irgendwas mit einem machen, damit man Lust hat, den Charakter jetzt und auch einige Monate lang zu begleiten. Die Menschen am Set können alle lieb und nett sein und man kann im Ausland an einem wunderschönen Ort drehen, wenn einen die Rolle nicht packt oder man sie zum Beispiel nur angenommen hat, um Geld zu verdienen, dann ist das gar nicht so leicht zu ertragen. Das ist etwas, was ich über die Jahre auch immer mehr wahrnehme, dass die Rolle und parallel auch die Entscheidung für die nächste stimmen muss.
Die Menschen am Set können alle lieb und nett sein und man kann im Ausland an einem wunderschönen Ort drehen, wenn einen die Rolle nicht packt oder man sie zum Beispiel nur angenommen hat, um Geld zu verdienen, dann ist das gar nicht so leicht zu ertragen.
Gibt es intensive Rolle, von denen du eine Art Entzugsphase brauchst?
Friedrich Mücke: Ja, die gibt es auch. Manchmal braucht man ein paar Tage, bis man sich von so einer Reise und einer Geschichte eines Menschen gelöst und auch erholt hat. Beim Drama erlebe ich das am intensivsten. Das man dieGefühlslagen und Konflikte noch in sich nachhallen spürt, die so eine Figur in der Zeit durchlebt. Bei einer Komödie würde ich sagen, ist es tendenziell leichter, da kann man sich am nächsten Tag dann schon direkt wieder mit etwas Anderem beschäftigen.
Du hast Erzieher gelernt und hast lange überlegt, als Streetworker zu arbeiten. Ist der Beruf des Schauspielers auch ein Beruf für die Gesellschaft oder eher ein Mittel zur Selbstdarstellung?
Friedrich Mücke: Jeder Schauspieler hat einen anderen Grund, warum er sich für diesen Beruf entschieden hat. Das sindteilweise auch tief behütete Geheimnisse. Und das ist auch in Ordnung so. Für mich gehört Schauspiel zur Kultur und damit zur Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, in der wir leben. Ob das jetzt ein Lächeln ist, was man den Menschen ins Gesicht zaubert oder eine Art Bildungsfunktion oder das Aufzeigen von Welten, die die Zuschauer so bisher vielleicht noch nicht kannten. Theater hatte zum Beispiel schon immer das Ziel, den Menschen aufzuzeigen, woher er kommt, wohin er geht und was in der Gesellschaft gerade nicht funktioniert. Film kann auch ein mahnendes Medium sein oder den Menschen die Gelegenheit geben, sich selbst zu reflektieren oder auch etwas Neues über sich zu lernen. Kunst, Musik, Theater, Film und Geschichten gehören einfach zur Menschheit dazu. Ich will und kann mir gar nicht vorstellen, dass es das alles nicht mehr gibt. Auch hier spielt das Stichwort Resonanzerfahrung mit rein. Ich persönlich habe auch meine Idole, denen ich nacheifere und mit denen ich einen Abend auf der Kinoleinwand oder der Theaterbühne verbringen will. Das alles ist wahrscheinlich noch viel größer als der Grund, warum man es selbst tut.
Virtual Island – ein fast perfektes Abenteuer jetzt bei Audible