
Noah Tinwa: Ich bewundere alle Menschen, denen es reicht, mittelmäßig zu sein.
Noah Tinwa im STORIES AND FACES-Interview
von Laura Bähr
Noah, du bist Teil der neuen Serie “Luden – Könige der Reeperbahn”, der Geschichte über die sündige Meile in Hamburg und den Aufstieg und Fall eines Zuhälter-Kartells. Im Mittelpunkt: junge Menschen, die von der Gesellschaft nicht akzeptiert werden und die eigentlich nur nach Freiheit und Anerkennung suchen. Hast du dich in der Gesellschaft jemals nicht akzeptiert gefühlt? Und wenn ja, wann und warum?
Noah Tinwa: Gute Frage. Ja, klar. Das liegt, glaube ich eigentlich hauptsächlich an meiner Hautfarbe, dass ich mich nicht immer von der Gesellschaft akzeptiert gefühlt habe. Und das ist auch heute noch so. Also ich fühle mich manchmal noch immer nicht völlig akzeptiert. Deswegen konnte ich auch sehr gut meine Rolle in Luden nachfühlen. Ich weiß, was es heißt, eine vermeintliche Minderheit zu sein, die nicht überall akzeptiert wird und Angst hat, sich so zu zeigen, wie sie wirklich ist.
Hast du ein Beispiel?
Noah Tinwa: Das kann ich ganz gut in meiner Branche festmachen. Ich glaube, vor 10 Jahren wäre es noch sehr viel schwieriger gewesen, eine Rolle zu spielen, die nichts mit einem Flüchtling zu tun hat. Da hat sich schon einiges getan in Deutschland. Wir sind noch nicht am Ziel, ganz klar, aber wir sind auf dem richtigen Weg. Und ich meine 10 Jahre mag jetzt lange klingen, aber eigentlich sind diese Zeiten noch gar nicht so lange her.
“Vor 10 Jahren wäre es noch sehr viel schwieriger gewesen, eine Rolle zu spielen, die nichts mit einem Flüchtling zu tun hat.”
Woran liegt das deiner Ansicht nach, dass wir diese Akzeptanz immer noch nicht erreicht haben?
Noah Tinwa: Ich kann es mir eigentlich nicht erklären, aber ich glaube, es hat auch viel mit Angst und Unkenntnis zu tun. Gerade die älteren Generationen wissen, glaube ich mit vielem Neuen oft nicht umzugehen und treten dann erst mal aus Schutz sehr abweisend auf. Und es kommt auch darauf an, wo man wohnt und in welcher Bubble man aufwächst. Ich lebe derzeit in Berlin und hier sind die Menschen, glaube ich schon sehr viel offener als in vielen anderen Teilen Deutschlands. Das kann man schon so sagen.
In den Metropolen trifft einfach viel aufeinander, da lernt man zwangsläufig früher oder später damit umzugehen (lacht). Aber wenn man diese Berührungspunkte eben nicht hat, ist es glaube ich schwierig. Aktuell herrscht auch eine allgemeine Überforderung, weil es so viele gewünschte neue Umgangsformen und Sprachvarianten gibt. Das ist vielen einfach zu viel, die machen dann direkt zu.
Du bist sehr jung in die Schauspielbranche gestartet, hast du manchmal Angst, dadurch etwas von deiner Jugend verpasst zu haben?
Noah Tinwa: Darüber habe ich privat lange nachgedacht. Und hatte dann schon manchmal Angst, mich zu sehr auf die Schauspielerei konzentriert zu haben. Auf irgendeine Art und Weise bereue ich das auch, weil ich bestimmte Phasen im Leben so einfach nicht erlebt hab, wie es die meisten tun. Auf der anderen Seite war es mir das aber auch wert, weil ich weiß, dass ich gerade nicht da wäre, wo ich bin, wenn ich nicht alles auf eine Karte gesetzt hätte.
“Aktuell herrscht auch eine allgemeine Überforderung, weil es so viele gewünschte neue Umgangsformen und Sprachvarianten gibt.”
Es gibt Momente, da muss man sich im Leben einfach entscheiden. Man kann nicht immer alles haben. Und die Luden kamen auch direkt nach dem Abitur. Also ich hab gefühlt den Stift fallen gelassen und bin direkt ans Set gefahren. Da bin ich auch im Nachhinein wirklich froh darüber. Ich hatte gar keine Zeit, in ein Loch zu fallen und mir Gedanken zu machen. Ich bin sehr rastlos und brauche immer eine Aufgabe. Und es war der entscheidende Push, der mir gezeigt hat, okay, das kann wirklich funktionieren mit deinem Traum vom Schauspieler. Ohne die Rolle hätte ich mich vielleicht gar nicht getraut, das wirklich durchzuziehen.
Ist der Druck, sich entscheiden zu müssen, die größte Herausforderung unserer Generation? Wie gehst du damit um?
Noah Tinwa: Ich glaube schon ja. Die vorherigen Generationen meiner Eltern und Großeltern hatten einfach nicht so viele Freiheiten und damit aber natürlich auch weniger Druck, die richtige Entscheidung treffen zu müssen. Da ging es noch um den richtigen Weg, um einen soliden Job, eine gute Absicherung. Heute will man seine Leidenschaft ausleben, aber die muss man auch erst mal finden. Freiheit kann einen auch unglücklich machen!
“Es gibt Momente, da muss man sich im Leben einfach entscheiden. Man kann nicht immer alles haben.”
Wie hast du deine Leidenschaft für die Schauspielerei entdeckt?
Noah Tinwa: Eigentlich wollte ich Fußballer werden, dann Rechtsanwalt, da meine Mutter Rechtsanwältin ist. Und dann kam ein Theaterstück in der Schule und ich hab alle Pläne über Bord geworfen. Aber ich glaube, ich habe die Entscheidung, jetzt Schauspieler werden zu wollen, nie wirklich aktiv getroffen. Nachdem immer mehr Leute danach auf mich zugekommen sind und gesagt haben, du machst das gut, mach das mal weiter, war es einfach irgendwann klar und es hat eigentlich gar kein Weg daran vorbei geführt.
Was gibt dir dieses “in die Leben der Anderen schlüpfen”?
Noah Tinwa: Es ist das Gefühl, alles und jeder sein zu können. Für mich gibt es keinen spannenderen und vor allem abwechslungsreicheren Beruf. Es heißt ja auch oft, Schauspieler flüchten vor sich selbst. Ich weiß nicht, ob ich das jetzt genau so unterschreiben würde, aber ich weiß schon, was damit gemeint ist. Ich finde es irgendwie auch ein befreiendes Gefühl, nicht immer ich selbst sein zu müssen (lacht).
Es ist auch einfach unfassbar aufregend, das ganze Leben zu analysieren. Wenn man sich intensiv auf eine Rolle vorbereitet, geht man ja auch immer das ganze Leben dieser Person durch. Nimmt alle Gefühle in sich auf, leidet und lacht mit und versucht sie zu verstehen. Mir ging es beim Schauspiel auch nie um den Glamour. Ich wollte wirklich nicht auf roten Teppichen stehen und den Massen zuwinken. Das ist für mich eher Mittel zum Zweck. Ich weiß, es gehört dazu, aber ich mag es nicht und will viel lieber meine ganze Zeit am Set verbringen.
“Freiheit kann einen auch unglücklich machen!”
Interessant. Aktuell hat man das Gefühl, dass es vielen jüngeren Kollegen genau darum geht, bekannt und berühmt zu werden…
Noah Tinwa: Das nehme ich auch wahr, ja. Es gibt natürlich immer wieder neue Player, immer wieder neue Talente und Persönlichkeiten, die sich in der Branche einen Namen machen wollen. Es wird immer mehr gedreht. Der Film ist mittlerweile ein Ort geworden, wo auch Leute Platz finden, die eigentlich nicht wirklich daran interessiert sind, ihre Rollen vollständig auszufüllen, sondern eher daran interessiert sind, im Rampenlicht zu stehen. Davor kann man aber auch nicht wegrennen oder die Augen verschließen. Der Film ist eine Branche, die sehr von kommerziellem Erfolg lebt.
Tut das als Künstler nicht auch weh?
Noah Tinwa: Ja und nein. Ich meine ich wusste ja, was mich erwartet und bin trotzdem dabei. Aber klar, man muss sich daran gewöhnen. Ich habe ja auch am Anfang viel Theater gespielt und war immer ganz euphorisch nach einem Stück, dass man auf so einer großen Bühne stand auf den Brettern, die die Welt bedeuten quasi (lacht). Aber auf der Straße kannte dich keiner und es hat sich auch keiner für dich interessiert. Wenn man aber in einem Set auf der Hamburger Reeperbahn steht, ändert sich das Interesse sofort. Das ist es, was die Leute wollen.
“Mir ging es beim Schauspiel nie um den Glamour.”
Siehst du dich dann eher als Künstler oder als Dienstleister in der Branche?
Noah Tinwa: Künstler! Wenn ich nur Dienstleister wäre, würde ich nicht glücklich werden. Ich bin ja kein Roboter. Jeder Schauspieler hat seine eigene Art, sich vorzubereiten, seine eigene Vorstellung, wie er sich der Rolle anzunehmen hat. Das macht die Kunst des Schauspiels aus. Natürlich hat man eine Regie und ein Drehbuch, aber die können dich alle nicht davon abhalten, wie du ganz persönlich im Kopf mit deiner Rolle agierst. Und das macht es aus. Ich glaube, wenn man dieses Gefühl verliert, dann ist man Dienstleister.
Klaus fürchtet am meisten die Mittelmäßigkeit, das Gefühl, für andere unsichtbar zu sein. Kennst du dieses Gefühl?
Noah Tinwa: Ich kenne dieses Gefühl absolut. Ich glaube, das ist auch etwas, was gerade Schauspieler und Schauspielerinnen sehr viel umtreibt. Diese Angst davor, zu mittelmäßig zu sein, um tolle Rollen spielen zu dürfen. Aber die Angst vor der Mittelmäßigkeit treibt auch viele andere Menschen in anderen Berufen um. Jeder, der etwas erreichen will, weiß ja, dass es dafür immer eine Schippe mehr braucht. Du kannst es nicht nur gut machen, du musst es sehr gut machen. Und auch nicht nur bezogen auf den Beruf auch im Privaten herrscht ja permanent ein immenser Druck. Man will schließlich auch kein mittelmäßiger Sohn, Bruder, Freund oder Vater sein.
“Ich sehe mich als Künstler. Wenn ich nur Dienstleister wäre, würde ich nicht glücklich werden.”
Ist Mittelmäßigkeit denn automatisch immer etwas schlechtes?
Noah Tinwa: Nein, eigentlich nicht. Aber irgendwie dann doch schon (lacht). Ich bewundere alle Menschen, denen es reicht, mittelmäßig zu sein. Aber im positiven Sinne, weil ich es nicht kann. Ich kann mir nicht vorstellen, mit mir selbst zufrieden zu sein, wenn ich weiß, dass ich gerade mittelmäßig bin. Dabei sollte das völlig okay sein. Wenn es einem zum Beispiel körperlich oder psychisch gerade nicht so gut geht und man weiß, man holt in dem Moment nicht alles raus, ist es das Schlimmste, sich in dem Moment auch noch selbst Vorwürfe zu machen. Deshalb muss man auch aufpassen, da nicht in eine permanente Selbstoptimierung zu verfallen. Aber klar, wenn man eine Leidenschaft hat, will man natürlich immer alles geben.
Die Schauspielbranche scheint aktuell sehr gesättigt und auch viele Sänger und Influencer möchten sich gerne einen Namen in der Branche schaffen. Wie schafft man es herauszustechen?
Noah Tinwa: Man muss an sich selbst glauben und auch hohe Ansprüche an sich stellen. Es ist auch wichtig, die Schauspielerei ernst zu nehmen, pünktlich und zuverlässig zu sein, sich für jede Rolle perfekt vorzubereiten und sich stetig weiterzubilden. Und das mag jetzt vielleicht komisch klingen, aber ich glaube, da trennt sich dann auch bereits häufig die Spreu vom Weizen.
Es gibt auch viele Persönlichkeiten, die von der Schauspielbranche träumen, die denken, sie kommen ans Set, improvisieren ein bisschen und gehen wieder. Und diese Rollen, Serien und Filme, wo das möglich ist, gibt es bestimmt auch, aber es gibt eben auch Formate, wo das nicht geht und wo diese Schauspieler und Schauspielerinnen auch keine Rolle bekommen werden.
“Ich bewundere alle Menschen, denen es reicht, mittelmäßig zu sein.”
Es gibt aber auch viele Formate, wie zum Beispiel Reality TV, die eine ganz andere Art von Schauspieler suchen als eine große Kinoproduktion und deshalb wird es auch immer genug Rollen und Möglichkeiten für alle geben. Ich finde es auch toll, dass die Branche sich mittlerweile so weit geöffnet hat, dass sich jeder darin ausprobieren darf und kann und man nicht jahrelang Schauspiel studiert haben muss.
Also kein Konkurrenzdenken?
Noah Tinwa: Meistens nicht, nein. Natürlich kommt es manchmal an der ein oder anderen Stelle durch, gerade wenn man für eine Rolle besonders brennt, aber grundsätzlich bin ich der Meinung, dass wir uns in der Branche eigentlich alle viel mehr gegenseitig unterstützen und kollegialer denken müssten. Wenn es nicht passt, dann passt es nicht und dann hat es auch meistens nicht mit der Konkurrenz zu tun, sondern mit dem eigenen Typ. Dann war ich einfach nicht die ideale Besetzung.
Egoismus scheint neben Selbstverwirklichung eine große Rolle in der aktuellen Gesellschaft zu spielen. Muss man Ihrer Ansicht heute egoistisch sein, um etwas zu erreichen?
Noah Tinwa: Egoistisch muss man in jedem Beruf sein, in dem man viel Selbstdisziplin braucht. Und wenn man als Schauspieler hohe Ansprüche an sich hat, braucht es eine Menge Disziplin. Schließlich sitzt man die meisten Zeit, wenn man nicht am Set steht, in seinem stillen Kämmerchen und lernt seinen Text oder beschäftigt sich mit seiner Rolle. Das braucht Disziplin und die muss man sich auch immer wieder selbst erarbeiten. Schauspieler sind zwar nicht selbstständig im klassischen Sinne, allerdings findet die meiste Arbeit alleine statt. Deshalb muss man in dem Beruf auf jeden Fall egoistischer sein als in vielen anderen.
“Wenn es nicht passt, dann passt es nicht und dann hat es auch meistens nicht mit der Konkurrenz zu tun, sondern mit dem eigenen Typ.”
Deine Rolle Bernd hat den Wunsch, selbst eine Frau zu sein, ein Wunsch, den er nur heimlich auslebt. Bist du froh, ein Mann zu sein?
Noah Tinwa: Ich bin froh, dass ich diesen Stress nicht hab, den Bernd durchlebt. Also ich glaube, ich wäre auch genauso glücklich, wenn ich als Frau geboren wäre und mich in dem Körper wohlfühlen würde. Also das hat mit dem Geschlecht an sich gar nichts zu tun, sondern eher mit der Tatsache, dass ich mich damit wohlfühle und nicht den Kampf kämpfen muss, durch den viele andere durchmüssen.
Vor meiner Rolle wusste ich nicht viel über Transsexualität. Und dann habe ich mich während der Vorbereitung mit ganz vielen Frauen getroffen und habe ganze Notizbücher vollgeschrieben und bin immer noch verblüfft, was für Geschichten die durchlebt haben oder auch durchleben mussten. Ich war geschockt, was für Stress sie hatten und haben in ihrem Leben, der sie auch davon abhält, genauso normale Sachen zu machen wie andere Leute. Das liegt in erster Linie an der Gesellschaft. Was sehr schade ist. Man könnte es diesen Menschen deutlich einfacher machen. Man könnte ihnen einiges an Leid ersparen, wenn man ein bisschen mehr Bewusstsein schaffen würde.
Was macht Männlichkeit für dich aus?
Noah Tinwa: Es bedeutet für mich auf jeden Fall nicht besonders hart zu sein oder nur Arbeiten zu gehen und viel Sport zu machen (lacht). Könntest du denn sagen, was Weiblichkeit für dich bedeutet?
“Ich wäre genauso glücklich, wenn ich als Frau geboren wäre und mich in dem Körper wohlfühlen würde.”
Ich bin gerade auch am Überlegen, es ist wirklich gar nicht so einfach. Weichheit und Sensibilität sind ja auch nicht automatisch weibliche Züge.
Noah Tinwa: Genau! Mir wird oft gesagt, dass ich relativ weich bin und damit einhergehend eben auch eine weibliche Seite habe. Also für die meisten Menschen ist Weichheit noch immer mit Weiblichkeit gleichzusetzen. Ich glaube, das sich „Männlich“ und „Weiblich“ eigentlich wirklich nur aus dem Geschlecht speist und der Rest macht der Charakter und die eigene Sexualität aus. Es wäre auch spannend, einen Jungen ganz ohne Berührungspunkte zu der Gesellschaft aufwachsen zu lassen und dann zu prüfen, wie man diesen Mann später wahrnimmt.
Außerdem ist er in der Nutella-Bande die Bank. Welche Rolle spielt Geld in deinem Leben?
Noah Tinwa: Geld ist wichtig, um zu leben. Man muss die Miete bezahlen und die Fixkosten decken. Ich bin auch ein Mensch, der gerne Sicherheit hat. Das heißt, ich werde nervös, wenn ich keinen Notgroschen mehr habe.
Also kein Guilty Pleasure, wo das Geld etwas lockerer sitzt, egal ob man es hat oder nicht?
Noah Tinwa: Ich glaube, wenn dann tatsächlich der Job. Ich habe sehr hohe Werbekosten und gebe sehr viel Geld für Bücher und Fotoshootings aus, um mich weiterzubilden. Und ich lade meine Freunde gerne ein.
“Ich werde nervös, wenn ich keinen Notgroschen mehr habe.”
Das heißt, du hast auch nicht das Ziel, sehr reich zu werden?
Noah Tinwa: Nein. Es wäre schön, sich irgendwann nicht mehr so viele Gedanken um Geld zu machen. Dass man einfach toll essen geht, wenn man möchte oder sich eine neue Winterjacke kauft, wenn sie einem gefällt. Aber das muss dann auch keine Prada-Jacke sein (lacht). Sondern einfach eine schöne Jacke.
Wie gehst du im Schauspiel damit um, dass dein Schicksal immer von jemandem abhängt, der vielleicht etwas in dir sieht?
Noah Tinwa: Das ist nicht einfach. Als Schauspieler wird man sehr viel bewertet, die einen mögen einen, die anderen nicht. Die einen sehen was in dir, die anderen wieder gar nicht. Das kratzt auch sehr am Selbstbewusstsein. Gerade dieses ständige Bewerben von sich selbst ist am Anfang schon anstrengend. Aber man gewöhnt sich auch schnell dran, weil es einfach zum Beruf dazugehört. Es liegt auch in der Natur des Künstlers, bewertet zu werden. Und ich glaube, es ist auch gut, wenn einen nicht alle mögen, sonst wäre man schon wieder zu langweilig (lacht). Deshalb bin ich irgendwann einfach zu dem Schluss gekommen, mein eigenes Ding zu machen und in erster Linie meinen Ansprüchen genügen zu wollen. Wenn ich weiß, ich habe mein Bestes gegeben, bin ich glücklich.
Welche Rolle spielt denn das Aussehen für dich? Haben es gutaussehende Menschen im Leben und in der Branche leichter?
Noah Tinwa: Ich glaube, sie haben es leichter. Im Leben bin ich mir nicht sicher, obwohl ich glaube, bei Frauen in der Regel schon. Aber in der Branche auf jeden Fall. Da muss man nur nach Hollywood schauen, da sind alle schön. Frauen und Männer, die den gesellschaftlichen Ansprüchen des klassischen Schönheitsideals entsprechen, haben es in der Regel schon leichter, vor die Kamera zu kommen. Das sieht dann schön aus, keiner muss sich umgewöhnen, perfekt. Da sind wir auch wieder bei dem Mittelmaß.
Es hat ja auch nicht jedes Format den Anspruch, hohe Qualität abzuliefern. Weil das Geld und die Zeit vielleicht auch nicht da ist und die Leute das nur machen, um über die Runden zu kommen. Und haben bei dem Stoff dann vielleicht auch gar keine Lust, eine hohe Qualität abzuliefern und machen dass dann einfach mittelmäßig. Und das ist auch okay so, das ist das Business und niemand will es auch anders.
“Frauen und Männer, die den gesellschaftlichen Ansprüchen des klassischen Schönheitsideals entsprechen, haben es in der Regel leichter, vor die Kamera zu kommen.”
Im Film sagt die Nutella-Band wir verkaufen das geilste Produkt der Welt, Liebe. Welches Gefühl möchtest mit deiner Arbeit als Schauspieler verkaufen?
Noah Tinwa: Alle Gefühle. Ich will, dass meine Rolle als Mensch wahrgenommen wird und den Zuschauern eine Bandbreite an Emotionen liefert. Man soll richtig mitfiebern.
Die Schauspielerin Lea van Acken sagte in einem Interview mit uns: Wenn man alles kann und alle Möglichkeiten hat, muss man sich noch genauer überlegen, was man wirklich will. Was willst du? Was ist für dich der Sinn des Lebens?
Noah Tinwa: Ich möchte mit mir zufrieden sein. Auch wenn ich gescheitert bin oder wenn ich mit 50 mit Krebs im Krankenbett liege. Dann möchte ich sagen können, es ist trotzdem okay. Bis hierhin habe ich alle Chancen genutzt, das Leben gelebt und war meistens glücklich. Ich will keine Erwartungen aufstellen wie Hochzeit, Kind, Haus in Portugal, die dann zur totalen Enttäuschung werden, wenn sie nicht erfüllt werden. Ich glaube, das Leben besteht mehr aus den kleinen Augenblicken, den positiven und den negativen. Und wenn man es schafft, dass Leben als das, was es ist, anzuerkennen und im Moment zu leben, dann erreicht man vielleicht irgendwann diesen Punkt, nachdem alle streben, das entspannte Glück.