
Nichts ist schlimmer, als wenn man ein Bild anschaut und es im Vorbeigehen schon wieder vergessen hat.
von Laura Bähr
Paul, du bezeichnest deine Art zu malen als Power-Painting. Was hat es damit auf sich?
Paul Schrader: Es gab in der Fondation Beyeler mal eine Ausstellung mit dem Titel „Action Painting“, die fand ich super cool. Das konnte ich jedoch so nicht nachmachen und hab es dann einfach „Power-Painting“ genannt. Heute würde ich das glaube ich nicht mehr sagen. Meine Bilder sind abstrakt, großformatig und meist mit strahlenden Farben.
Wie bist du zur Malerei gekommen?
Ich habe mich schon als Kind sehr für Kunst interessiert und war mit meiner Oma immer in Ausstellungen. Dann habe ich in der Jugend ganz viel gesprüht und in der Schule den Kunst Leistungskurs besucht. Ich weiß noch, dass viele meiner Mitschüler damals Kunst gewählt haben, weil sie es vermeintlich leicht fanden, aber ich hatte einen tollen Kunstlehrer, der uns richtig gefördert hat.
Dann bist du aber erstmal von der Kunst abgekommen.
Ja, dann habe ich Jura studiert, natürlich aus Vernunftsgründen. (lacht) Nach dem Studium habe ich mir allerdings sofort große Leinwände gekauft und einfach angefangen zu malen. Ich wollte wieder kreativ sein und eine weiße Wand in meiner Wohnung gestalten. Aber auf einmal fanden immer mehr Freunde meine Arbeiten gut und als der Erste mir ein Bild für 500 Euro abkaufen wollte, konnte ich es gar nicht glauben.
Im Rückblick ging das wirklich sehr schnell. Dann wurde ich bei der ersten Galerie aufgenommen, dann bei der zweiten. Mittlerweile kommen auch immer mehr Kooperationen zu Stande, ich bemale zum Beispiel einen Schreibtisch oder gestalte für Airbus ein altes Flugzeug.
“Ich habe mich schon als Kind sehr für Kunst interessiert und war mit meiner Oma immer in Ausstellungen.”
Wie hast du deinen Stil entwickelt?
Ich habe früher in den Galerien nach einem Stil gesucht, den ich nie gefunden habe. Und an dem habe ich mich dann einfach selbst versucht. Der Kunstkreislauf ist ja so abgeschlossen, dass ich dachte, da kommt man als normal Sterblicher gar nicht rein. Deswegen war ich auch so überrascht wie schnell das dann doch geklappt hat. Ich glaube mittlerweile die eine Kunstwelt, gibt es auch gar nicht. Dass meine Art von Kunst dann auch noch für andere Menschen interessant wurde, ist natürlich das aller schönste.
Du hattest bereits einige Einzelausstellungen. Was ist das für ein Gefühl?
In erster Linie Angst, ob überhaupt jemand kommt (lacht). Wenn dann der erste die Tür reinkommt, freut man sich natürlich sehr. Das eine ist ein Bild zuhause zu haben, das sieht kein Mensch, aber wenn man seine Werke in der Öffentlichkeit zeigen kann und Leute unterhalten sich darüber, ist das ein unglaubliches Gefühl.
Auf was kommt es bei einer gelungenen Ausstellung an?
Im Prinzip fängt es beim Rahmen des Bildes an. Man rahmt es aber nicht nur ein, sondern sucht auch den Raum aus, wo es am besten wirkt, man kreiert eigentlich um dieses Bild eine Stimmung und bringt es dadurch erst wirklich zur Geltung. Kunst lässt sich auch mit so viel kombinieren, mit Natur oder auch einer tollen Bar. Man verpackt das Ganze also in ein Erlebnis, von dem man im besten Fall berührt wird. Unser aktuelles Ausstellungskonzept ist in London entstanden. Da war ich auf einer Ausstellung mit toller Kunst, aber es war alles so steif und keiner hat sich getraut, wirklich laut zu sprechen.
In dem Moment wurde mir klar, dass es so doch gar nicht sein muss, und so habe ich mit einem Freund die Idee entwickelt, dass es eben zuerst eine offizielle Vernissage gibt und das Ganze dann jedoch in eine Party übergeht. Die Kunst mit Leben aufladen – dafür ist Kunst ja auch da, dass man für einen kurzen Moment aus der Realität ausbrechen kann. Wenn diese Leidenschaft im Bild auf den Betrachter überspringt und man als Betrachter selbst mit einem veränderten Gefühl aus der Ausstellung rausgeht, dann hat man als Künstler alles richtig gemacht. Nichts ist schlimmer, als wenn man ein Bild anschaut und es im Vorbeigehen schon wieder vergessen hat.
“Nichts ist schlimmer, als wenn man ein Bild anschaut und es im Vorbeigehen schon wieder vergessen hat.”
Was glaubst du, bei wem hängen deine Bilder?
Das sind ganz verschiedene Leute. Viele Sammler, aber auch ganz viele Leute, die gerade in ihrem Beruf angekommen sind und damit anfangen sich etwas aufzubauen. Vor kurzem habe ich zum Beispiel ein Bild an ein Hochzeitspaar verkauft, die Freunde wollten dem Paar etwas schenken, was bleibt, das fand ich sehr schön. Ich frage mich auch immer woher die ganzen Leute mich kennen, dieses Internet ist ja irgendwie eine Einbahnstraße, aber ich freue mich natürlich sehr darüber.
Was macht einen guten Künstler aus?
Ich glaube tatsächlich die Leidenschaft und den inneren Antrieb, die Passion für etwas. Dieses Gefühl, wenn man mitten in der Nacht, auch wenn man hundemüde ist, unbedingt noch das Bild weiter malen will. Wenn man so ein Interesse hat, dann kann man das auch gar nicht stoppen, man überwindet in dem Rahmen viele Grenzen und schafft glaube ich Dinge, die man sonst nie geschafft hätte.
Woher nimmst du deine Inspiration?
Am Anfang eines jeden Bildes steht natürlich eine Idee, die einfach da ist. Ich versuche das immer durch Reisen oder Ausstellungen zu beeinflussen, das klappt aber nicht, das kann man nicht erzwingen. Meistens habe ich zuerst Farbkombinationen im Kopf, aber im Laufe der Zeit entwickelt sich das Bild meist auch noch weiter. Erste Skizzen mache ich auf Packpapier, dann tut es nicht so weh, wenn diese weggeschmissen werden müssen.
“Am Anfang eines jeden Bildes steht natürlich eine Idee, die einfach da ist.”
Wie hat sich deine Arbeit durch das Internet und die sozialen Medien verändert?
Während man früher auf die Galerien angewiesen war, ist das heute natürlich etwas völlig anderes. Man hat durch das Internet dieses Schaufenster und das auch noch umsonst und erreicht damit unglaublich viele Leute. Somit kann man als Künstler auch irgendwie autark leben.
Für den Ausstellungs- oder Verkaufsweg braucht man eigentlich keine Galerien mehr. Eine Galerie ist natürlich heute noch wichtig, damit sie einen als Künstler einstufen kann und Kritiker etwas von einem hören. Aber für den Kontakt zu den Sammlern, Käufern oder auch nur Interessenten braucht man sie eigentlich nicht mehr. Die Leute schauen sich im Internet am liebsten Kunst, tolle Gegenstände, Mode und Leute an. Dafür ist es also perfekt.
Du versuchst mit deiner Kunst auch eine Marke aufzubauen. Was braucht es dafür?
Ich weiß gar nicht mehr wirklich wie es dazu kam. Ich bin meine eigene Zielgruppe, das habe ich einfach so festgelegt, dass ich das mache, was ich selber gut finde. Und dann hämmert man den Leuten einfach den Namen permanent in den Kopf. Wenn man den dann zwei, dreimal gehört hat, dann hat man einfach automatisch einen Widererkennungswert. Am Anfang hatte ich auch das natürlich Hemmnis, dass alles um meine Person plötzlich so sehr in der Öffentlichkeit steht, aber da muss man sich einfach überwinden.
“Für den Ausstellungs- oder Verkaufsweg braucht man eigentlich keine Galerien mehr.”
Neben deiner Arbeit als Künstler bist du auch als Anwalt tätig. Wie geht das?
Ich weiß, dass es auf dem Papier so aussieht, als ob das gar nicht zusammenpasst, beinahe als hätte man zwei Persönlichkeiten in sich. Für mich ergänzen sich diese zwei Berufe allerdings ideal. Im Studio arbeitet man kreativ und ist an keine Regeln gebunden, aber die geistige Forderung kommt manchmal ein bisschen zu kurz.
Dann macht es auch wahnsinnig Spaß nach einer Ausstellung wieder an den Schreibtisch sitzen zu dürfen und Aufgaben zu lösen. Das schafft ein gutes Gleichgewicht, dass man auch immer wieder Lust auf neue Herausforderungen hat.
Was macht Hamburg als Kunststandort besonders?
Die Kunstszene hier ist eigentlich nur ganz sporadisch vorhanden, aber das macht es auch so interessant. Die Leute, die sich hier für Kunst interessieren sind meistens ausgehungert. Die Kunsthalle ist zwar ein tolles Gebäude, aber es tut sich ja leider nicht so viel. Im Vergleich zu Berlin ist das einfach eine Wüste.
Die Leute haben alle Lust auf Kunst und bekommen viel zu wenig geboten. In anderen Städten gibt es wahrscheinlich zu viel Kunst, dass man sich gar nicht mehr auf die einzelnen Events konzentrieren kann. Ich hatte bei meiner letzten Ausstellung in Berlin das Gefühl, dass keiner mehr wirklich anwesend ist, weil sie im Kopf schon beim dem nächsten Event waren.
“Die Leute, die sich in Hamburg für Kunst interessieren sind meistens ausgehungert.”
Fällt es dir schwer dich von deinen Bildern zu trennen?
Ja, aber es ist notwendig, weil nur dadurch etwas Neues entstehen kann. Dann hat man wieder den Platz, um eine neue Leinwand aufzustellen und auch wieder Freiraum im Geist. Und da man selbst die Quelle ist, schaffe ich jederzeit neue Kunstwerke. Mittlerweile finde ich es schade, dass ich nicht ein paar meiner früheren Werke behalten habe, aber das bringt auch den Antrieb.
Was sind deine Zukunftsträume?
Mein Kindheitstraum war es schon immer auf der Art Basel auszustellen, ob in Basel oder Miami. Und dieses Jahr werden wohl, wenn alles klappt, zwei meiner Bilder im Dezember in Miami ausgestellt werden. Danach kann ich eigentlich sterben. (lacht)
Würdest du jungen Künstler heute raten, noch alles auf eine Karte zu setzen?
Es ist wahnsinnig schwer so viel Glück zu haben, dass man davon leben kann, aber natürlich nicht unmöglich. Heute kann man das auch viel einfacher testen, einfach ein Werk ins Internet stellen und mal schauen wie es ankommt. Ich würde glaube ich nicht sofort alles auf eine Karte setzen, aber dafür bin ich auch zu sehr der vernünftige Typ. Trotzdem sollte man es auf jeden Fall probieren. Kunst macht einfach Spaß!
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