
Marion Mitterhammer: Kunst ist ein Grundnahrungsmittel!
von Laura Bähr
Marion, du sagtest in einem Interview “du seist kein verwöhnter Mensch”. Ist die Gesellschaft
heute deiner Ansicht nach zu verwöhnt?
Marion Mitterhammer: Ich glaube, wir müssen alle immer wieder aufpassen, nicht die Bodenhaftung zu verlieren. Gerade in schwierigen Zeiten wie heute, ist es wichtig, solidarisch zu sein und zu verstehen, dass wir alle im selben Boot sitzen.
Wie hast du die letzten, besonderen Monate wahrgenommen? Welche Erkenntnisse konntest du aus der Corona-Zeit ziehen?
Marion Mitterhammer: Ich habe die Zeit genutzt, um meinen eigenen Film, den ich auch produziert habe, weiter voranzubringen. Allerdings muss ich gestehen, dass mein Mann und ich eher zu den Einzelkämpfern der Branche zählen. Ich war nie besonders gut vernetzt. Deswegen hat mir diese Zurückgezogenheit gar nicht so viel ausgemacht und ich habe einfach konzentriert an meinem Projekt weitergearbeitet.
“Ich war nie besonders gut vernetzt.”
Die Kunst – und dazu gehört auch das Schauspiel – scheint aktuell erstmal hintenangestellt. Was hältst du von dem Begriff der Systemrelevanz?
Marion Mitterhammer: Uns Kulturschaffende hat es besonders hart getroffen und ich kenn viele, die wirklich verzweifelt sind und nicht wissen wie das Leben weiter gehen wird. Aber auch die Gesellschaft wurde meiner Ansicht nach dazu angeregt, über ihr Verhältnis zur Kunst und Kultur nachzudenken. Natürlich müssen wir alle einen sicheren Ort haben, essen und trinken, aber es gibt es eben doch noch mehr – und das ist die Kunst. Ohne die Kunst und die Kultur wäre das Leben leer und traurig. Kunst ist ein Grundnahrungsmittel!
Außerdem sagtest du „du seist keine Selbstdarstellerin“. Muss man das nicht sein, um im
Schauspiel erfolgreich zu sein?
Marion Mitterhammer: Das ist eine meiner ewigen Fragen. Schon als junge Schauspielerin habe ich nicht zur Selbstdarstellerin getaugt. Ich frage mich oft, wie wohl alles gekommen wäre, wenn ich entspannter gewesen wäre und mehr Show um mich gemacht hätte. Mir ist wahnsinnig schnell vieles peinlich (lacht) das war schon immer so und wird immer so sein. Ich wollte immer elegant durch dieses Leben marschieren, ohne Aufdringlichkeit und ohne Wichtigtuerei.
“Ohne die Kunst und die Kultur wäre das Leben leer und traurig.”
Würdest du gerne mit den jungen Leuten der heutigen Generation tauschen?
Marion Mitterhammer: Die Selbstdarstellung steht hier ja mehr denn je im Vordergrund… Nein, ich würde aber auch mit niemandem tauschen wollen. Ich weiß natürlich, dass es das Berufsbild des Influencers gibt, könnte dir spontan keinen einzigen nennen (lacht). Ich bin da wirklich noch ganz altmodisch. Lese lieber Bücher und gehe spazieren, anstatt ständig ins Handy zu schauen.
Bist du denn ein Fan der heutigen Generation?
Marion Mitterhammer: Ja, bin ich! Und wie! Das erinnert mich auch daran, dass sich meine Generation vielleicht ein bisschen zu sehr ausgeruht hat, auf den Errungenschaften der 68er. Das ist bei uns zu Hause ein großes Thema. Mein Mann ist ein typischer Vertreter der 68er Generation. Natürlich war ich immer politisch interessiert und habe mich für Themen eingesetzt, aber wirklich leidenschaftlich gekämpft für große gesellschaftspolitische Themen wie viele Jugendliche das heute tun, heute, habe ich offenbar nicht!
Die jüngeren zeigen uns schon das ein oder andere Versäumnis auf. Auch die vielen jungen Frauen, die für Emanzipation und Diversität kämpfen, bewundere ich sehr. Es wäre phantastisch, wenn irgendwann der Punkt käme, dass man über all das gar nicht mehr nachdenken müsste. Es sollte einfach egal sein, ob die Rolle oder die Position eines Mannes oder einer Frau besetzt wird.
Und dass wir da auf dem richtigen Weg sind, verdanken wir der Kraft vieler engagierter leidenschaftlicher junger Menschen, die mich extrem motivieren und inspirieren. Die Hälfte vom Kuchen wäre doch fair (lacht). Ich bin auch glücklich, dass wir endlich über Dinge wie „Diversity“ oder „Me too“, die jahrelang mitgeschwungen sind, nun endlich öffentlich an- und ausgesprochen werden.
“Meine Generation hat sich vielleicht ein bisschen zu sehr ausgeruht hat, auf den Errungenschaften der 68er.”
Wie erhältst du deine Passion für das Schauspiel trotz dem Zwang, damit Geld verdienen zu müssen?
Marion Mitterhammer: Das ist eine schöne Frage. Ich habe angefangen, gemeinsam mit meinem Mann Filme zu produzieren. Der letzte ist gerade in der Postproduktion, heißt TAKTK und basiert auf einer wahren Begebenheit. Ich versuche Stoffe zu finden, Geschichten zu erzählen, die ich selbst gerne sehen würde.
Ich bin natürlich lange genug in diesem Metier, um realistisch sagen zu können, dass manchmal einfach die Miete bezahlt werden muss (lacht) Das allerwichtigste für mich ist allerdings, dass man eine gute Lebenszeit miteinander verbringt, auch wenn das Drehbuch nicht immer genial ist. Wenn man großartige Kollegen hat, mit denen man auch Spaß beim Arbeiten haben kann, dann marschiert man da eben gemeinsam durch.
Ich bin aber auch nicht mehr so streng wie früher. Ich habe eine gewisse Selbstironie entwickelt. Viele Filme, die man macht, sind einfach nicht für die Ewigkeit. Aber ein paar Projekte, bei denen dann wirklich alles stimmt, die bewahre ich mir. Ich bin wirklich gerne Schauspielerin, auch nach vielen Jahren in diesem Beruf.
“Ich bin lange genug in diesem Metier, um realistisch sagen zu können, dass manchmal einfach die Miete bezahlt werden muss.”
Schaust du dir nach einer Rolle die Quoten des Films an oder woran bemisst du deine eigene Zufriedenheit und deinen Erfolg?
Marion Mitterhammer: Ich schaue ehrlich gesagt meine eigenen Filme selten an. Wenn ich abends nach Hause komme und sagen kann, dass ich hatte einen tollen, intensiven Drehtag hatte, bin ich glücklich. Wenn der Film auch noch andere begeistert, freut mich das, habe aber als Schauspielerin kaum Einfluss darauf.
Bei meinem Job als Produzentin ist das natürlich wieder etwas anderes. Aber ich denke mittlerweile wirklich in kleineren Schritten. Das hört sich jetzt vermutlich pathetisch an, aber ich freue mich, wenn ich eine intensive Zeit mit einem Team verbringen darf. Tolle Kritiken schmeicheln natürlich, aber Einschaltquoten sind mir relativ egal. Viele Filmen, die mir wichtig sind, kamen bei den Zuschauern gar nicht an und andere von denen ich nicht überzeugt war, waren oft Quotensieger.
In einem Interview mit dem Kurier sagtest du mal: Man darf im Schauspiel nicht nachlässig werden. Man muss streng mit sich sein. Was tust du, um sich in der Branche auf dem Laufenden zu halten?
Marion Mitterhammer: Ich muss mich immer wieder neu motivieren, mir wird relativ schnell langweilig. Schauspiel ist für mich wie ein Langstreckenlauf – abgerechnet wird ganz zum Schluss. Man muss wach bleiben, neugierig und gute Nerven wären nicht schlecht. Jetzt, mehr denn je, finde wichtig, in der Branche aufeinander aufzupassen.
Schauspieler sind häufig sehr sensible Wesen. Und man sollte unbedingt Wünsche und Sehnsüchte haben. Man braucht ein Ziel bis zum Schluss. Mittlerweile bin ich aber klug genug, mein Ziel nicht zu artikulieren, denn daran wird man ja schließlich auch gemessen (lacht).
“Schauspieler sind häufig sehr sensible Wesen.”
Was ist neben der Schauspielerei deine größte Leidenschaft?
Marion Mitterhammer: Aktuell mein kleiner Jack Russel, von dem ich auch viel lerne. Wenn der spielt, spielt er und wenn er frisst, frisst er und lässt sich von nichts ablenken. Das finde ich herrlich, er ist ganz bei der Sache und bringt mich ständig zum Lachen.
Was hältst du von dem Schönheitsmodell der heutigen Zeit?
Marion Mitterhammer: Inhalte haben mich immer mehr interessiert als Verpackungen, diesbezüglich werde ich mit zunehmendem Alter noch radikaler. Diese Gespräche über Jugendwahn und äußerlicher Schönheit sind total überbewertet und uninteressant. Das und Trends, die kommen und gehen. Ich setze lieber auf zeitlose Klassiker.
Du hast in den vergangenen Jahren auch einige Filme selbst produziert und sagtest in einem Interview mal, du hast dabei keine Angst zu scheitern. Wie schaffst du das?
Marion Mitterhammer: Ach, man sagt so viele blöde Dinge im Laufe des Lebens (lacht). Ganz ehrlich, jeder Mensch hat doch Angst zu scheitern. Aber… wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Und was heißt denn eigentlich scheitern? Das muss man ja auch mit sich selber ausmachen. Und das Scheitern hängt man ja auch meist auch nicht an die große Glocke. Solange ich ein Zuhause habe, meine Familie, meine Freunde und Arbeit, die mich glücklich macht, kann ich mich nicht beschweren. Und daran muss man sich immer wieder erinnern.
“Breaking Even”
Ab 14. Oktober 2020, mittwochs, 20.15 Uhr, in Doppelfolgen, ZDFneoAb Mittwoch 14. Oktober 2020, 10.00 Uhr, alle Folgen in der ZDFmediathek abrufbar
Weitere Interviews:
Schauspieler Sabin Tambrea im Interview
Moderatorin Ariane Alter im Interview
Schauspielerin Emilia Schüle im Interview