© Dennis Dirksen

Heinz Strunk: “Reich zu werden, wäre mir zu profan.”

von Laura Bähr

Herr Strunk, Sie bezeichnen sich selbst als Miesepeter. Wann hatten Sie das letzte Mal so richtig schlechte Laune? 
Heinz Strunk: Das kann ich gar nicht genau sagen. Die schlechte Laune ist bei mir so häufig da, dass ich sie gar nicht mehr einzelnen Ereignissen zuordnen kann. Miesepetrig klingt aber immer so spießig. Ich würde eher sagen ich habe eine permanente melancholische Grundstimmung. 

Gibt es denn einen Gute-Laune-Garant in Ihrem Leben? 
Ja, ein schönes Schlückchen Alkohol. 

Sie sind Musiker, Entertainer, Schauspieler und Schriftsteller und bringen in diesem Jahr einige Projekte ans Publikum. Haben Sie manchmal Angst, sich zu verzetteln? 
Überhaupt nicht. Ich mach das jetzt seit 40 Jahren und Verzettelungsgefahr besteht bei mir überhaupt nicht. Dafür habe ich in meinem Umfeld auch zu viele kritische Menschen, die dafür sorgen, dass nichts meine vier Wände verlässt, was nicht zumindest okay ist. Ich werde viel geprüft (lacht). Aber ich habe  auch einige Dinge gemacht, die einfach nicht erfolgreich waren. Meine Alben von 2015 bis 2019 liefen zum Beispiel komplett unter dem Radar der Öffentlichkeit. (Spannend: Interview mit Schauspielerin Luna Wedler)

Nehmen Sie es sich zu Herzen, wenn etwas so gar nicht ankommt? 
Ja doch. Früher habe ich noch mehr Sachen gemacht, von denen ich auch wusste, dass es sehr nischig ist und vermutlich keinen Erfolg haben wird. Heute mache ich das nicht mehr. 

“Ich habe eine permanente melancholische Grundstimmung.”

Warum? 
Wenn es keiner liest, hört oder sich anschaut, ist es Zeitverschwendung. 

Ist es nicht unfassbar anstrengend von dem Geschmack eines nie ganz greifbaren Publikums abhängig zu sein? 
Für mich nicht, nein. Ich versuche eine sehr hohe Qualität zu liefern und das wird in der Regel auch anerkannt und honoriert. Ich habe das Glück, ich glaube, das darf ich in aller Bescheidenheit sagen, von Kritikern und dem Publikum in gleichem Maße beachtet zu werden. Gerade in der Literatur gibt es meist die beiden Lager. Literatur Literatur, die dann von Experten ausgezeichnet wird, aber kein Publikum der Welt begeistert und auf der anderen Seite gibt es die Fitzeks dieser Welt, die im Feuilleton überhaupt nicht vorkommen. Was mich manchmal überrascht, ist, wenn ein Werk, von dem man dachte, es schlägt ein, wie nichts, dann doch nicht gut läuft und ein anderes einen total überrascht. Aber solange sich da die Waage hält, ist das für mich okay. 

Sie bezeichnen die deutsche Comedy als grauenhaft. Warum? 
Ich finde sie einfach nicht lustig. Also ich verstehe gerade mal, wo der Witz gemeint sein könnte, aber die Ausführungen sind einfach immer sehr sehr schlecht. Ich bin mit dieser Sicht auch nicht ganz alleine, also das ist jetzt keine miesepetrige Meinung (lacht). In meinem Umfeld sehen das viele ähnlich. 

Sie starten mit Ihrer neuen Serien auf Amazon-Prime „Last Exit Schinkenstraße“. Warum hat die Serie das Potenzial diese Lücke des guten Humors bei uns in Deutschland zu füllen? 
Naja, also es ist zum einen so, dass die Story und der Inhalt sehr kompatibel zu dem ist, was die Leute so kennen. Es knüpft an bekannte Sehgewohnheiten an, hat aber komplett meine Handschrift. Und ich würde mir erhoffen, dass daraus eine Art Crossover wird aus meinem Stammklientel, die aber nicht ausreichen werden, um eine Serie auf Amazon Prime erfolgreich zu machen und einem neuen Publikum, das von der Story angesprochen wird. Das kann ich aber natürlich nicht voraussehen. Ich kann mich nur bemühen und hoffen.

“Ich verstehe bei der deutschen Comedy gerade mal, wo der Witz gemeint sein könnte, aber die Ausführungen sind einfach immer sehr sehr schlecht.”

Wird das mit den Jahren immer einfacher einzuschätzen, was funktioniert und was nicht, oder ist das die gleiche Ungewissheit wie zu Beginn? 
Nein, ich würde schon sagen, dass ich Instinktsicherer geworden bin. Aber eine Garantie, gibt es natürlich trotzdem nicht. 

Man stellt sich den Schriftsteller häufig rauchend und mit einem schönen Glas Rotwein am Schreibtisch am Fenster vor. Sie sagen Alkohol und kreatives Arbeiten schließen sich gegenseitig aus und Sie hätten in all Ihren Süchten eine Grenze gefunden, bevor es destruktiv wurde. Wie schafft man das? 
Das kann ich gar nicht so genau sagen. Das Rauchen habe ich vor 16 Jahren aufgegeben und bin sehr froh darüber. Zu rauchen ist einfach dumm. Aber ob man sich von einer Sucht dominieren lässt oder ob man selbst das Zepter in der Hand behält, ist sowohl eine Frage der Disziplin als auch der Liebe zu seinen persönlichen Projekte. Wenn es jemals so weit gegangen wäre, dass ich Auftritte nicht hätte wahrnehmen können, wäre da für mich eine Grenze überschritten. Da würde ich sofort stoppen und eine 360 Grad Wendung hinlegen. Aber soweit ist es zum Glück noch nie gekommen. (Dazu passend: Interview mit Schauspieler Friedrich Mücke)

Die Sache an sich war folglich einfach immer zu wichtig, als das man sich hätte ablenken lassen… 
Ja. Ich finde dieses räudige Auftreten, dass man sich wirklich total besoffen auf die Bühne schleppt, wie man es ja aus Filmen und Serien kennt, ganz ganz schrecklich. Da würde ich mich selbst dafür hassen und könnte nie wieder in den Spiegel schauen. 

Sie hatten Ihren ersten Bestseller mit 42 Jahren. Wäre Ihre Laufbahn anders verlaufen, wenn das 10 oder 20 Jahre früher passiert wäre?
Das ist natürlich eine spekulative Frage, die ich schlecht beantworten kann, aber ich glaube eher nicht nein. Ich schätze mich selbst als einen Charakter ein, der sich auch schon mit 20 Jahren nicht groß vom Erfolg hätte blenden und verändern lassen. 

Sind Sie denn froh, dass es erst so spät passiert ist?
Nein (lacht). Das hätte auch gerne 10 Jahre früher passieren können. 

“Der Erfolg kommt mit der stetigen Qualität der Arbeit.”

Sie haben mal in einem Interview gesagt, erfolgreich zu sein, sei für Sie kein Lebensziel. Was ist es stattdessen? 
Der Erfolg kommt mit der stetigen Qualität der Arbeit. Ich habe den Erfolg an sich jetzt nie angestrebt. Es ging mir immer mehr um die Qualität der Sachen. Sonst hätte ich manche Stücke auch gar nicht machen dürfen. Bei denen war nämlich von Anfang an klar, dass sich damit ein klassischer Erfolg nicht erreichen lässt. Trotzdem bin ich jetzt natürlich froh, dass ich mit meiner Arbeit auch Erfolg habe. Gelegentlich werde ich gefragt, welche Zielgruppen ich bediene. Ich kenn das Wort gar nicht (lacht). Keine Ahnung, da sollen sich andere darüber Gedanken machen. Ich schreibe meine Bücher und wer sie lesen will, soll sie lesen. Ich schreibe auch nichts mit der Absicht irgendwelche Leute abzuholen. (Kennen Sie schon? Interview mit Schauspieler Ken Duken)

Was ist Ihr Lebensziel? 
Möglichst viele schöne Sachen zu machen. Was soll es auch sonst sein. Reich zu werden, wäre mir zu profan. Und früh in Rente zu gehen und mit dem Wohnmobil durch die Gegend zu eiern, finde ich jetzt auch nicht so erstrebenswert. 

Welche Rolle spielt Geld in Ihrem Leben? 
Es ist genug davon da und es kommt immer wieder nach. Ich mache mir also keine allzu großen Gedanken darum. Aber ich glaube man kann sagen, ich lebe aktuell unter meinen Möglichkeiten. 

Also ist Geld nicht der große Freiheitsbringer? 
Nein. Und wer das denkt, der sitzt einem Irrglauben auf. Es gibt natürlich Leute, für die das ein naturgegebener Antrieb sein muss, als Unternehmer zum Beispiel, da muss man auf die Geldvermehrung einen gesteigerten Wert legen, aber in meinem Bereich zum Glück nicht. 

Sie haben mit den „Käsis“ Ihre erste illustrierte Abenteuergeschichte auf den Markt gebracht. Eine edle Parmesan-Dame und ein industrieller Scheibenkäse verlieben sich… Welcher Käse wären Sie in dieser Welt? 
Ich wäre vermutlich der einfache Haushaltskäse. 

“Früh in Rente zu gehen und mit dem Wohnmobil durch die Gegend zu eiern, finde ich nicht erstrebenswert.”

Fließt in jede Ihrer Figuren ein bisschen Heinz Strunk mit rein? 
Auf jeden Fall. Und alle Autoren, die behaupten sich als Person da komplett aus ihren Werken rauslassen zu können, lügen (lacht). In die meisten meiner männlichen Protagonisten fließen, Eigenschaften, Gedanken und Gefühle von mir. Wäre ja auch bescheuert wenn nicht. 

Ist das dann auch eine Art Therapie, wie Schauspieler sie häufig beschreiben? Das alles, was im Alltag keinen Platz findet, dann in die Rolle oder eben in das Werk fließt? 
Nein. Das ist eine ähnliche Lieschen Müller-Vorstellung, wie das Glas Rotwein und die Zigarette beim Schreibprozess. Bei anderen mag das funktionieren, dass sie sich so Kummer von der Seele schreiben können, bei mir nicht. (Lesen Sie auch: Interview mit Musikerin Jasmin Shakeri)

Haben Sie manchmal das Gefühl, dass die Menschen, die sie treffen, hoffen oder auch befürchten, Vorlage für eines Ihrer nächsten Bücher zu werden? 
Das kann gut sein. Das höre ich auch immer wieder, aber ich weiß immer nicht, wie ernst das gemeint ist. 

Wer oder wo wäre Heinz Strunk ohne Studio Braun? 
Das weiß ich nicht so genau. Ich würde mal behaupten, wenn ich die Kollegen damals nicht kennengelernt hätte, hätten sich ganz viele Dinge so nicht ergeben und deshalb bin ich den beiden auch zu ewigem Dank verpflichtet. Das was ich jetzt mache, baut unbedingt darauf auf. 

Viele werfen Ihnen ja vor, Sie würden die Menschheit und ihre einzelnen Charaktere zu schrecklich beschreiben. Sie sagen immer, sie seien nur objektiv und ehrlich. Wenn Sie Ihre Charaktere der letzten Jahre vergleichen, werden wir Menschen immer schlimmer? 
Ich war gestern mit meiner Freundin im Wildpark Schwarze Berge in Hamburg. Und da erwartet man jetzt ja grundsätzlich erstmal ganz normale Leute. Vor mir stand eine Frau, die wog 150 Kilogramm und hatte so ganz seltsam blau-rot gefärbte Haare und eine blaue und eine rote Socke an. Und das sah so grotesk furchtbar aus, dass ich dachte, wenn ich die jetzt ganz objektiv beschreiben würde, so wie sie gerade aussieht, müsste ich mir wieder was anhören. Aber so sah sie nunmal aus. Aber schrecklicher wird es nicht, nein. Die 80er-Jahre Schrecklichkeit ist mit der 2000er und 2020er-Schrecklichkeit immer noch nicht vergleichbar. 

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